Krankheiten am Atem erkennen

Lösen Atemtests dereinst Blut- oder Urintests ab? Führende Schweizer Wissenschaftler wollen den Atem zur Diagnose von Krankheiten nutzen. Ihre Forschung wird von der Hochschulmedizin (HMZ) breit unterstützt.

, 1. Dezember 2015 um 12:00
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Vor vier Jahren schlossen sich die Universität Zürich, die ETH Zürich und die universitären Spitäler Zürichs in der Hochschulmedizin (HMZ) zusammen. Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner sollen, so das Ziel, gemeinsam die universitäre Medizin stärken. 
Bereits 2012 lief das Projekt «Zurich Heart» an, in dem Ingenieure und Mediziner Kunstherzen für Menschen mit schwerer Herzschwäche entwickeln. Ein weiteres so genanntes Leuchtturmprojekt wird nun im Bereich Atem aufgebaut: Ein neues Verfahren analysiert die Luft der Patienten beim Ausatmen und kann so auf verschiedene Erkrankungen hinweisen. 

«Was der Atem preisgibt»

Der Atem lässt Rückschlüsse darauf zu, was wir gegessen oder getrunken haben. Das macht sich die Polizei auf der Suche nach Blaufahrern zu Nutze. Oder trainierte Hunde erschnüffeln, ob jemand an Lungenkrebs leidet. Die Medizin will in Zukunft die Atemluft noch vermehrt nutzen, um Krankheiten zu diagnostizieren. 
«Da steckt ein grosses Potenzial darin», sagt Renato Zenobi, Professor für analytische Chemie an der ETH Zürich. Gemeinsam mit Malcolm Kohler, Direktor der Klinik für Pneumologie am Universitätsspital Zürich, präsentierte er am Jahresanlass der HMZ das Projekt «Was der Atem preisgibt».

Fingerabdruck - Atemabdruck

«Analog zum Fingerabdruck hat jeder Menschen auch seinen eigenen Atemabdruck», so Malcolm Kohler. Dieser verändere sich bei bestimmten Krankheiten. Kohler und Zenobi wollen Methoden entwickeln, um in Zukunft etwa Diabetes oder Schlafapnoe über die Atemluft zu diagnostizieren. Dies wäre schneller, kostengünstiger und für die Patienten angenehmer als etwa Bluttests, Urintests oder eine Nacht im Schlaflabor.
Die Forschung könnte nicht nur die Diagnose von Krankheiten stark vereinfachen. Atemtests können in Zukunft auch Antworten liefern auf Fragen wie: Ist ein Kind nach einer Masernerkrankung noch ansteckend? Hat ein Patient seine Medikamente eingenommen? Ist eine Sportlerin gedopt?

Schub für Forschungsplatz Zürich 

Den beiden Leuchtturmprojekten wird zugetraut, die Medizin zu verändern und den Forschungsplatz Zürich weltweit sichtbarer zu machen. «Zürich hat beste Voraussetzungen, die Zukunft der Medizin zu prägen», sagte Gregor Zünd, Direktor Forschung und Lehre des Universitätsspital Zürich. Kaum eine andere Region in Europa sei besser aufgestellt. 

«Mehr Mut»

Es gibt aber noch Luft nach oben: Die Schweiz sei zwar weltweit führend in der Anmeldung von Patenten. Es gelinge aber noch zu wenig, daraus Produkte, Spin-offs und Arbeitsplätze zu generieren, so Zünd an der Veranstaltung: «Wir brauchen mehr Mut, das Wissen schneller in die klinische Anwendung zu bringen.»
(Bild: Lauren Kerns / Winter Breath / Flickr CC).
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  • Mitteilung zum Jahresanlass 2015

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