Komfort-Zuschläge der Spitäler am Pranger

Das Stadtspital Zürich will 1100 Franken von Allgemein-Patienten, die ein Einerzimmer möchten – pro Nacht. Diese Tarife geraten nun in die Kritik.

, 12. Januar 2022 um 06:22
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«Patienten zahlen in einigen Spitälern horrende Preise für den Wechsel in ein Einzel- oder Zweierzimmer», schreibt das Konsumenten-Magazin «K-Tipp» in seiner jüngsten Ausgabe. Anführer der Preis-Liste sind zwei Zürcher Spitäler: Das Stadtspital und das Universitätsspital USZ verlangen mehr als 1000 Franken pro Nacht, wenn allgemein versicherte Patienten die Ruhe eines Einerzimmers wünschen (siehe Tabelle unten). Auch ein Zweierzimmer geht ins Geld: 580 Franken verrechnet zum Beispiel das Universitätsspital Basel (USB) für diesen Komfort.

Geringe Leistungen

Diese Beträge stünden in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Mehrkosten, welche den Spitälern entstehen – etwa für einen Internetanschluss, eine Tageszeitung oder einen Gratiskaffee, kritisiert die Zeitschrift. Das USZ machte zwar zusätzliche «Nebenleistungen wie verlängerte Besuchszeiten oder qualifiziertere Betreuung» geltend. Eine freie Arztwahl ist in diesen Aufschlägen aber nicht enthalten.
Solche Preise befremden vor allem auch, weil es immer mehr Spitäler gibt, die gar keine Mehrbettzimmer mehr anbieten – auch nicht für Allgemeinversicherte. Im Neubau des USZ wird es zum Beispiel nur noch Einzelzimmer geben. Studien zeigen, dass Einzelzimmer die Infektionsrate senken und die Belegdauer kürzer wird, weil sich die Patienten schneller erholen.

Doppelzimmer gegen Einsamkeit

Im neuen Bettenhaus des Berner Inselspitals Bern wird es Einer- und Zweierzimmer geben. An den Zweierzimmern hält das Spital fest, weil dies dem Patientenbedürfnis entspreche, Gesellschaft zu haben und sich nicht so isoliert zu fühlen.
Die Entwicklung weg von den Mehrbettzimmern ist schlecht fürs Geschäft der Krankenkassen mit den Zusatzversicherungen. Je selbstverständlicher es wird, dass auch Allgemeinversicherte im Einer- oder Zweierzimmer liegen dürfen, umso deutlicher stellt sich für Privat- und Halbprivatpatienten die Frage, welche Vorteile sie - abgesehen von der freien Arztwahl - dann noch haben.

Baselland und Thurgau kosten nur einen Viertel

Die enormen Aufschläge für Einer- und Zweierzimmer in gewissen Spitälern sind kaum mit tatsächlichen Kosten zu erklären. Das zeigt sich auch daran, dass es durchaus Spitäler gibt, die das Hotel-Upgrade wesentlich günstiger anbieten: Etwa das Spital Thurgau und das Kantonsspital Baselland. Die Einerzimmer kosten dort für Allgemeinpatienten 250 und 280 Franken.

Alternative: Patientenhotel

Und es geht sogar noch billiger, nämlich ganz gratis: In Lausanne gibt es unmittelbar neben dem Hauptgebäude des Universitätsspitals (CHUV) seit fünf Jahren ein so genanntes Patientenhotel.
Dort können Patienten, die weitgehend selbständig sind, aber noch medizinische Nachsorge brauchen, in Einzelzimmern mit Drei-Stern-Hotelstandard übernachten. Das Pflegepersonal ist rund um die Uhr präsent. Der Aufenthalt im Patientenhotel ist Teil des Spitalaufenthalts und wird durch die obligatorische Krankenversicherung gedeckt.

Gewinn fürs Spital und die Patienten

So entlastet das CHUV seine Bettenstationen. Die Patienten haben dafür mehr Privatsphäre. Gleichzeitig entstehen dem Spital tiefere Kosten als in der eigenen Spitalinfrastruktur. Das Patientenhotel hat seit der Eröffnung gut 13'000 Patienten aufgenommen. Sie haben durchschnittlich 2,4 Tage im Hotel verbracht. Zur guten Auslastung des Hotels mit seinen über 100 Zimmern tragen externe Gäste bei, die ebenfalls dort übernachten können.
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