Corona-Pandemie: Intensivmediziner passen Triage-Richtlinien an

Neu soll «der mit der intensivmedizinischen Behandlung verbundene erwartete Aufwand» bei schwierigen Entscheidfindungen mit berücksichtigt werden.

, 23. September 2021 um 08:13
image
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) haben eine aktualisierte Version der Richtlinien für die Triage in der Intensivmedizin bei ausserordentlicher Ressourcenknappheit veröffentlicht.  
Neu wird explizit erwähnt, dass der mit der intensivmedizinischen Behandlung verbundene erwartete Aufwand mit berücksichtigt werden soll. Das heisst: Bei gleicher Überlebensprognose haben Interventionen, die schon nach kurzer Zeit den gewünschten Erfolg erwarten lassen, Vorrang vor Interventionen, deren Effekt sich erst nach langer intensiver Therapiedauer einstellt.  

Vermehrt junge Patienten auf der Intensivstation

Hauptgrund für die Aktualisierung der Richtlinien ist gemäss SAMW die veränderte Ausgangslage auf den stark ausgelasteten Schweizer Intensivstationen: Anders als während der ersten Wellen der Covid-19-Pandemie benötigen aktuell nicht vorwiegend ältere Menschen mit Vorerkrankungen eine intensivmedizinische Behandlung, sondern vermehrt junge, zuvor gesunde Patientinnen und Patienten.
Mit den aktualisierten Triage-Richtlinien soll sichergestellt werden, dass auch bei einer «ausserordentlichen Ressourcenknappheit» mit den zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst viele Menschenleben gerettet werden können – unabhängig davon, welche Krankheit oder Verletzung zur Einweisung führte.

Impfstatus darf nicht als Triagekriterium gelten

Insgesamt berücksichtigt die neue Version jüngste Entwicklungen, fokussiert weniger stark auf Covid-19-Erkrankte und bleibt in den ethischen Grundsätzen unverändert. So gilt nach wie vor der Grundsatz, dass die Ressourcen ohne Diskriminierung zu verteilen sind: Merkmale wie Alter, Geschlecht, Behinderung, soziale Stellung oder Impfstatus dürfen nicht als Triagekriterien herangezogen werden. 
Ebenfalls unverändert ist das übergeordnete Ziel, möglichst viele Menschleben zu retten. Für die Triage bleibt die kurzfristige Überlebensprognose das erste und wichtigste Entscheidungs­kriterium. 
  • Die neuen Richtlinien stehen ab heute auf Deutsch und Französisch hier zur Verfügung. Im Verlauf der nächsten Woche werden auch Italienisch und Englisch angeboten. Sie richten sich an Gesundheitsfachpersonen und bieten eine Hilfestellung bei schwierigen Entscheidfindungen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Schweiz stellt Weichen für langfristiges Coronavirus-Management

Der Bund stellt seine Antwort auf die langfristigen Herausforderungen von Covid 19 vor.

image

Covid: Weniger Spitalaufenthalte durch Nasenspülung

Eine alte Heilmethode könnte das Risiko einer Sars-Cov-2-Erkrankung senken. Das legen neue Forschungsergebnisse nahe.

image

KI-Tool aus Harvard sagt Covid-19-Varianten voraus

Wäre das Tool der Harvard-Forscher zu Beginn der Pandemie eingeführt worden, hätte es die besorgniserregendsten Varianten identifizieren können, bevor sie auftraten.

image

Covid-Bericht: Schlechte Zusammenarbeit von Bund und Kantonen

Eine Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats zeigt: Der Bund hat während der Corona-Pandemie teils schlecht mit den Kantonen zusammengearbeitet.

image

Wie Covid das Risiko für Herzinfarkte erhöht

Forschende aus den USA haben erstmals eine direkte Verbindung zwischen Covid-19-Infektionen und Herzkomplikationen und Schlaganfällen festgestellt.

image

Covid-Impfstrategie: Wer sich warum impfen lassen sollte

Das Bundesamt für Gesundheit und die Eidgenössische Kommission für Impffragen haben die Covid-19-Impfempfehlungen für den kommenden Herbst und Winter veröffentlicht.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.