Sind Apothekerinnen und Apotheker im Kanton Zürich besser ausgebildet als ihre Berufskollegen im benachbarten Kanton Aargau? Man könnte es meinen. In Zürcher Apotheken kann man sich schon seit 2015 gegen Grippe und Zecken impfen. Im Aargau hingegen ist es Apothekern nicht erlaubt, irgendwelche Impfungen vorzunehmen.
Man könnte ketzerisch folgern, dass die kompetentesten Apothekerinnen und Apotheker in Solothurn und beider Basel wirken: Sie dürfen für Personen ab 16 Jahren alle Impfungen vornehmen gemäss dem Schweizerischen Impfplan. Das gilt zum Teil auch für Graubünden oder Luzern, wobei dort die Impfungen gegen Hepatitis erst ab der zweiten Dosis vorgenommen werden dürfen, nachdem die erste Dosis von einem Arzt verabreicht wurde.
Einen sachlichen Grund für diese kantonalen Unterschiede gibt es nicht – aber einen politischen. Zwischen Ärzten und Apothekern gibt es immer wieder Grabenkämpfe. Apothekern stört es, wenn Ärzte selber Medikamente abgeben. Das sei ihr Business.
Keine Selbstdispensation im Aargau
Gerade im Kanton Aargau ist die Selbstdispensation nicht erlaubt; die Abgabe von Medikamenten deshalb alleinige Sache der Apotheken. Deshalb wollen die Apotheken im Aargau nicht allzu sehr für die Impfungen kämpfen. Sie befürchten, dass im Gegenzug die Ärzte alte Forderungen wieder hervorkramen, wie das Regionaljournal im Dezember berichtete.
Doch das Aargauer Kantonsparlament hat im zurückliegenden Sommer einen Vorstoss überwiesen, damit man sich auch in Apotheken impfen lassen kann. Die Regierung hat nun zu prüfen, ob in einer ersten Phase nur ausgewählte Impfungen, etwa gegen Grippe oder Zecken, oder alle Impfungen gemäss Impfplan zuzulassen sind.
Zürcher Apotheken werden aufgewertet
Die Zürcher Gesundheitsdirektion hat diese Prüfung schon gemacht. Ab diesem Sommer dürfen in Zürcher Apotheken nebst Grippe- und Zeckenimpfungen auch Impfungen gegen Diphterie, Starrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung vorgenommen werden. Zudem können sich neu nicht nur gesunde Personen impfen lassen, sondern grundsätzlich alle Personen über 16 Jahren.
Auch im Kanton Bern soll das Impfangebot in Apotheken ausgeweitet werden. Dies verlangt der grünliberale Michael Köpfli in seiner Motion, die er am 12. Mai eingereicht hat. Darin wird der Regierungsrat beauftragt, in Berner Apotheken grundsätzlich alle Impfungen gemäss dem Schweizerischen Impfplan ohne ärztliche Verschreibungen zuzulassen. Ausnahmen von diesem Grundsatz könnten in gesundheitlich begründeten Fällen vorgesehen werden.
Berner Grossrat kämpft für höhere Impfrate
Köpfli geht es um eine Erhöhung der Impfrate. «Es kann doch nicht sein, dass noch heute Personen an Masern erkranken, nur weil sie sich nicht dagegen geimpft haben». Zudem sei es wünschenswert, wenn sich mehr Leute gegen Grippe impfen liessen.
Michael Köpfli - er ist auch Generalsekretär der GLP Schweiz - geht davon aus, dass sich Personen eher impfen lassen, wenn sie das in der Apotheke gewissermassen beim Vorbeigehen tun können, statt eigens dafür beim Arzt einen Termin zu vereinbaren.
Was sagen Studien dazu?
Aber wird der leichtere Zugang zum Impfen die Impfquote wirklich erhöhen? Sabina Heuss war an Forschungsarbeiten über die Impfungsrate beteiligt und hat auch darüber publiziert. «Studien zeigen, dass ein vereinfachter Zugang zu Impfungen, wie Impfen ohne Terminvereinbarung, geringe Kosten, keine zusätzliche Anreisezeit, die Impfquote generell erhöhen kann», sagt die Dozentin am Institute for Competitiveness and Communication an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Besonders Personen, die selten beim Arzt seien, könnten davon profitieren. Sie bekämen oft keine Impfempfehlungen von der Hausärztin und könnten motiviert werden, sich ohne grossen Aufwand impfen zu lassen.
Doch Sabina Heuss weist darauf hin, dass ein einfacher Zugang zu Impfungen die Impfrate nur dann erhöhe, wenn eine grundsätzlich neutrale oder eher positive Haltung gegenüber Impfungen bestehe. «Personen, die grundsätzlich gegen Impfungen sind, werden nicht von einem einfacheren Impfzugang Gebrauch machen.»
Was sagt die FMH?
Die FMH stellt sich übrigens nicht gegen diesen Trend. Im Gegenteil: Sie begrüsst sogar den einfachen Zugang zu Impfungen, wie der Dachverband auf Anfrage erklärt. Freilich setze das Impfen in den Apotheken voraus, dass Apotheker- und Apothekerinnen sich entsprechend aus- und weiterbilden, wie das im revidierten Heilmittel- und Medizinalberufegesetz gefordert wird. So müsse sichergestellt sein, dass bei unvorhersehbaren Zwischenfällen wie lebensbedrohliche allergische Reaktionen die richtigen Massnahmen getroffen würden.
Zudem ist laut FMH eine Meldung an den Hausarzt wichtig, «damit die Impfungen in der Krankengeschichte nachgeführt werden könne und somit doppelte und unkoordinierte Impfungen vermieden würden.»
Wobei hier zu sagen ist, dass noch lange nicht jeder Patient einen bestimmten Hausarzt hat und in einem Jahr das Elektronische Patientendossier (EPD) gerade für das Nachtragen der Krankengeschichte wertvolle Dienste leisten wird.
Liste der Impfungen nach Kanton (Pharmasuisse)