Grosse Reform sorgt für Streit

Die Kantone sind mit der vom Nationalrat vorgeschlagenen Neuverteilung der Gesundheitskosten nicht einverstanden. Sie drohen bereits mit dem Referendum.

, 9. August 2019 um 07:40
image
Dass ein Umbau sinnvoll ist, bestreitet eigentlich niemand. Denn die Tatsache, dass der Kostenschlüssel bei den ambulanten und stationären Behandlungen unterschiedlich ist, setzt Fehlanreize und sorgt für ungute Verzerrungen. Bisher gehen die ambulanten Kosten gemäss KVG vollständig zulasten der Kassen - bei den stationären Behandlungen ist derweil gesetzlich vorgeschrieben, dass die Kantone mindestens 55 Prozent der Kosten übernehmen.
Nun soll die Kostenteilung harmonisiert werden. Die einheitliche Finanzierung ambulant und stationär (Efas) ist im Bundesparlament auf dem Tapet. Die gesundheitspolitische Kommission des Nationalrats (SGK-N) schlägt vor, dass sich die Kanton dabei zu 22,6 an allen Kosten, die Versicherer zu 77,4 Prozent beteiligen. Doch das vorgeschlagene Modell der SGK-N sorgt für Streit und  verhärtete Fronten. 
Das Problem: Die Kantone sind zwar bereit, sich künftig auch an den ambulanten Kosten zu beteiligen. Sie fordern aber, dass die Versicherer im Gegenzug anteilsmässig auch an den Langzeitpflegekosten mitbezahlen. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren stützt isch dabei auf eine Studie. 

Wer soll wie viel mehr bezahlen?

Diese kommt zum Schluss, dass der Vorschlag der SGK-N die Finanzierungsbeiträge der Kantone im Zeitraum 2016-2030 um 49 Prozent ansteigen liesse - jene der Versicherer dagegen um nur 40 Prozent. Wenn man die Pflege miteinbeziehen würde (bei einem Kostenteiler 74,5 Versicherer, 25,5 Kantone) steige der Anteil für beide Kostenträger derweil gerecht um jeweils 42 Prozent, schreiben die Kantone in ihrer Mitteilung weiter. Zudem würde der Miteinbezug der Pflege integrierte Finanzierungs- und Angebotsmodelle ermöglichen.

Kritik - und Gegenargument

Kritik an diesem Vorschlag lässt nicht auf sich warten. Gerade die Krankenkassen - die in der SGK gut vertreten sind - gehen zum Gegenangriff über. Die Kassen argumentieren, dass die Integration der Langzeitpflege ins KVG nicht ins System passen. Zudem sorge der Vorschlag der Kantone dafür, dass die Jungen die Pflege der Alten stärker mitfinanzieren müsste, schreibt die NZZ.
Ein weiteres Argument gegen eine stärkere Belastung: Der Vorschlag der Kantone belastet einkommenschwächere Haushalte, die aber kein Anrecht auf Prämienverbilligung haben. Derweil würde höhere Kosten für die Kantone über die Steuern finanziert, wo besser verdienende tendenziell stärker belastet werden. Die Kantone dementieren einen Anstieg der Prämienbelastung - sie argumentieren mit Kostenersparnissen durch das von ihnen propagierte, integrierter Finanzierungsmodell.

Hat das Volk das letzte Wort?

Als nächstes beschäftigt sich die Gesundheitskommission des Ständerats mit der Vorlage. Falls diese am nationalrätlichen Modell festhält und auch das Gesamtparlament diesem zustimmt, drohen die Kantone bereits jetzt, das Referendum zu ergreifen. Bis die Reform in Kraft tritt sind deshalb noch manche Klippen zu umschiffen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Neuer Leitender Arzt für die Spitäler Schaffhausen

Der Radiologe Wolfgang K. E. Schill wechselt vom Kantonsspital Münsterlingen nach Schaffhausen.

image

Ein wegweisendes Urteil für Krankenversicherer: Bahn haftet

Eine Krankenkasse kann von einem Bahnunternehmen die Heilungskosten zurückverlangen, wenn ein Fahrgast unverschuldet gestürzt ist.

image

Kantonsspital kauft Aktien einer Digital-Plattform

Was Medinside vor einer Woche angekündet hat, ist nun geschehen: Das erste öffentliche Spital steigt bei «Compassana» ein.

image

Der Fehltritt einer KPT-Firma: Vermittler hinterging Neukunden

Die neue Vermittlungsfirma der KPT-Krankenkasse nutzte unlautere Methoden, um neue Versicherte zu gewinnen.

image

So will das Kantonsspital Graubünden Gewaltopfern helfen

Das Kantonsspital Graubünden in Chur betreibt neu die Sprechstunde «Forensic Nursing». Das Angebot ist das erste dieser Art in der Deutschschweiz.

image

Kantonsspital Winterthur lässt Gender-Leitfaden nun doch fallen

Das Kantonsspital Winterthur zieht die gendergerechte Sprachempfehlung zurück. Der Druck ist wohl zu gross geworden.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.