EPD: Nun will der Bundesrat das Tempo beschleunigen

Das elektronische Patientendossier hinkt und kommt kaum voran. Nun nimmt der Bundesrat das Zepter in die Hand: Neben Regeln will er auch die Finanzierung definieren.

, 28. April 2022 um 06:56
image
Seit fünf Jahren wird am elektronischen Patientendossier, kurz EPD, gearbeitet. So richtig vorwärts geht es damit allerdings nicht. Im Gegenteil, es hinkt, wie ein kranker Patient. Die Problematik: Die Patientendossiers werden nicht von einer zentralen Stelle angeboten, sondern von mehreren regionalen sogenannten Stammgemeinschaften, die sich in einem komplizierten Verfahren zertifizieren lassen müssen.
Lediglich 8000 Patientendossiers wurden bis Ende März von sieben Stammgemeinschaften eröffnet. Nun hat der Bundesrat das Gesundheitsdepartement von Bundesrat Alain Berset damit beauftragt, das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier umfassend zu revidieren. 

So will der Bund die Kostenübernahme regeln 

Die Eckwerte hat der Bundesrat bereits festgelegt: Wie das Schweizer Fernsehen gestern berichtet hat, will er sich vom Parlament die Kompetenz geben lassen, Regeln für alle Stammgemeinschaften zu erlassen. 
Den Betrieb der Stammgemeinschaften sollen die Kantone bezahlen. Selber will er einzig die Kosten für die Weiterentwicklung der Systeme übernehmen. Heute sind nur Spitäler, Pflegeheime und neu zugelassene Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, ihre Unterlagen in elektronischen Patientendossiers zu hinterlegen.
In Zukunft sollen jedoch alle ambulant tätigen Gesundheitsfachpersonen dazu verpflichtet werden, ein Dossier zu führen. Schweizerinnen und Schweizern soll es freigestellt bleiben, ob sie ein elektronisches Patientendossier wollen oder nicht.
Der Bundesrat stellt aber noch ein weiteres Modell zur Diskussion: Das Patientendossier wird automatisch eröffnet, ausser der Patient lehnt es deutlich ab. Dieses «opt-out»-Modell wird laut «SRF» vom Bundesrat bevorzugt.
Und während Forschende Zugriff auf Wunsch der Patienten die Daten der Patientendossiers erhalten sollen, werden die Krankenkassen davon ausgeschlossen. 

Axsana-Chef äussert Kritik

Froh über die Richtung ist Samuel Eglin, Geschäftsführer der grössten Stammgemeinschaft Axsana, die seit Anfang Jahr 14 Kantone abdeckt. Vermissen tue er allerdings den Entscheid, die bereits bestehenden Systeme technisch zu vereinheitlichen. 
Aktuell würden parallel vier verschiedene Systeme laufen, die völlig redundant seien: «Sämtliche Weiterentwicklungskosten auf den technischen Systemen haben wir in der Schweiz vierfach. Das macht keinen Sinn und ist letztlich für die Steuerzahlenden auch nicht zumutbar», wird er vom «SRF» zitiert.

Hat das EPD Überlebenschancen? 

Der Bundesrat sei sich bewusst, dass die Finanzierung der Stammgemeinschaften über kurz oder lang zum Problem werde. Deshalb lasse er gleichzeitig eine Vorlage für eine Übergangsfinanzierung ausarbeiten, die Finanzhilfen an Stammgemeinschaften vorsehe, bis die Revision des Bundesgesetzes eine neue Finanzierungsgrundlage liefere.
Wie das «SRF» zu bedenken gibt, muss diese Übergangsfinanzierung zuerst noch durchs Parlament. «Die Frage wird sein, ob das kränkelnde elektronische Patientendossier solange überlebt», so das Schweizer Fernsehen. 

Zum EPD

Das elektronische Patientendossier wird seit Anfang 2021 schrittweise flächendeckend eingeführt. Als erste den Betrieb aufgenommen hat die sogenannte Stammgemeinschaft eHealth Aargau. Sie bietet der Aargauer Bevölkerung seit Anfang Mai 2021 die Möglichkeit, ein elektronisches Patientendossier zu eröffnen.
Die Einführung des Patientendossiers war zuvor mehrmals verschoben worden. Dafür gibt es verschiedene Gründe, unter anderen die Finanzierung, die dezentrale Umsetzung und das komplexe Zertifizierungsverfahren.
Quelle: «SRF»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Die Tarifpartnerschaft ist nicht ebenbürtig»

Der umstrittene Tarifeingriff in der Physiobranche ist noch nicht in Kraft. Lange will die Gesundheitsministerin aber nicht mehr warten.

image

Krebsmedikamente haben Gewinnmarge von 85 Prozent

Ein altes Anliegen ist erneut im Parlament: die horrenden Kosten für Krebsmedikamente.

image

Corona: Kein Ausfall-Geld für die Spitäler

Der Bund will sich nicht an den pandemiebedingten Ertragseinbussen der Spitäler beteiligen.

image

Ältere Ärztinnen und Ärzte werden vom EPD befreit - wenigstens vorläufig

Wird die Ärzteschaft dazu gezwungen, das EPD bereits in zwei Jahren aufzuschalten, könnten die älteren Semester vorzeitig abspringen.

image

EPD: Übungsabbruch ist kein Thema

Nach dem Nationalrat stimmt am Dienstagmorgen auch der Ständerat einer Übergangsfinanzierung für das EPD zu.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.