«Der Genfer Entscheid ist vertretbar - die Drohung stossend!»

Bald muss das medizinische Personal in Genf geimpft sein oder sich alle sieben Tage testen lassen – ansonsten drohen Strafen. Der SBK spricht gegenüber Medinside Klartext.

, 5. August 2021 um 14:20
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Darum geht's: Der Genfer Staatsrat hat seinen Erlass vom 1. November 2020 angepasst. Er verfügt damit zwar nicht einen Impfzwang. Doch wer in einer öffentlichen oder privaten medizinischen Einrichtung, in einer sozialmedizinischen Einrichtung, einer Einrichtung für Behinderte (EPH), einer Organisation für häusliche Pflege (OSAD) oder in Tagesheimen für ältere Menschen im Kanton arbeitet, muss ab dem 23. August ein Covid-19-Zertifikat (Impfung) vorweisen können.
Mitarbeitende, die kein Zertifikat haben, müssen sich alle sieben Tage einem Screening-Test unterziehen. Dass sich die Mitarbeitenden daran halten, dafür hat der Arbeitgeber zu sorgen. Tut er dies nicht, drohen ihm strafrechtliche Sanktionen, macht die Genfer Regierung in ihrem Communiqué deutlich. 
Um die Bewohner in den öffentlichen und privaten Einrichtungen noch mehr zu schützen, müssen auch Besucherinnen und Besucher ihr Covid-19-Zertifikat (geimpft, genesen, getestet) vorlegen. Ausnahmen seien bei aussergewöhnlichen Umständen möglich, insbesondere in medizinischen Notsituationen, wenn den Besuchern keine Zeit mehr zum Testen bleibt. 

Woher diese Gelassenheit Herr Wagner?

«Diese Massnahme ist nicht drastisch. Für uns besteht kein Grund zur Aufregung», sagte Pierre-André Wagner, Leiter Rechtsdienst SBK ASI, heute gegenüber der Tagesschau. Bedenklich sei eher, wenn man daraus nun eine grosse Geschichte mache. 
Der Verband habe die Impfkampagne des BAG von Anfang an aktiv unterstützt, sei gleichzeitig aber immer dezidiert gegen ein Impf-Obligatorium gewesen. Die Pflegefachpersonen seien erwachsene Menschen, die wissenschaftlich basiert arbeiten würden «und genau wissen, was aus beruflicher Sicht richtig und gut ist. Das heisst jedoch nicht, dass Personen, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht alles tun müssen, um ihre Patienten zu schützen.»
Doch kommt der Genfer-Entscheid nicht einem Impf-Obligatorium gleich? «Bei diesen Massnahmen handelt es sich eben genau nicht um ein Impf-Obligatorium. Der Kanton Genf zeigt mit seinem Entscheid, dass er auf ein Obligatorium verzichtet», betont Wagner am Telefon. 
Pflegende dürfen sich gegen eine Impfung entscheiden; dass sie dafür andere Schutzmassnahmen treffen, sei nur angemessen.
«Deshalb finden wir diesen Entscheid absolut vertretbar. Wer sich nicht impfen lassen möchte, der muss belegen können, dass er getestet oder genesen ist. Ich sehe nichts Unvernünftiges darin.» Für Wagner ist auch klar, dass damit kein indirekter Impfzwang ausgeübt wird.

«Massnahmen im Jura sind total daneben!»

Anders sei es im Kanton Jura. Konkret: Letzte Woche gab das Kantonsspital Jura bekannt, dass ungeimpftes Personal, das nach dem Kontakt mit Covid-Patienten in Quarantäne muss, ab September in dieser Zeit nur noch 80 Prozent des Lohnes erhält.
«Das ist meiner Meinung nach total daneben», sagt Wagner. «Die Pflegenden wie Teenager zu behandeln und ihnen das Sackgeld zu streichen, sollten sie nicht brav sein – das kommt extrem schlecht an». Juristisch sei der Schritt zwar haltbar, psychologisch und kulturell jedoch ein Desaster. «So geht man nicht mit Menschen um, die jeden Tag so viel leisten und wenig Anerkennung dafür erhalten.»

Entscheid «kein Grund zur Aufregung»

Ob mit dem Genfer Entscheid nun ein grosser Stein ins Rollen geraten ist, bezweifelt Wagner. «Es kommt natürlich drauf an, wie das Ganze nun vermittelt wird. Wir setzen auf Entdramatisierung. Es gibt, wie erwähnt, keinen Grund zur Aufregung», so Wagner. 
Angesprochen auf den bereits von der SRF-Moderatorin erwähnten «Unterton» im Communiqué betreffend die Androhung von strafrechtlichen Sanktionen, macht Wagner gegenüber Medinside nochmals deutlich: «Dieser Unterton ist total unnötig und kontraproduktiv. Wie kann man überhaupt so etwas schreiben. Ist diesen Politikern eigentlich klar, mit wem sie sprechen?». 
Es handle sich um Personen, die unter schwierigsten Bedingungen arbeiten würden – jeden Tag. «Es ist dieselbe Politik, die solche Massnahmen androht, die jede vernünftige Massnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wie sie die Pflegeinitiative fordert, ablehnt! Genau diese Politik droht jetzt mit Strafverfahren. Das ist stossend.»

Doch eher hohe Impfbereitschaft

Wie Medinside-Recherchen im Juni gezeigt hatten, war die Impfbereitschaft beim Personal in Spitälern höher als in Pflegeeinrichtungen. Anfänglich zeigte sich eine insgesamt relativ hohe Skepsis gegenüber der Covid-Impfung. «Der SBK hat dazu keine konkreten Zahlen. Doch wir wissen, dass die Impfrate bei den Pflegefachpersonen höher ist als in der Gesamtbevölkerung und dass zum Beispiel im Kanton Solothurn sowie im Kanton Tessin über 80 Prozent der Pflegenden geimpft sind», sagt Pierre André Wagner gegenüber Medinside.

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