«Aus den Kantonen St. Gallen und Thurgau haben wir bis jetzt zwei Vertragskündigungen», bestätigt Samuel Eglin, Geschäftsführer von Axsana, dem grössten der
sieben Schweizer Anbieter von elektronischen Patientendossiers (EPD), gegenüber dem IT-Branchenportal «Inside IT».
Wer gekündigt hat, will Eglin nicht verraten. Wie aus einer schriftlichen
Antwort der Regierung des Kantons St. Gallen hervorgeht, ist eine der beiden Organisationen die «Psychiatrie St.Gallen», die im Januar 2023 aus der Fusion der Psychiatrien Süd und Nord des Kantons hervorgeht. Diese wechseln zum Verein E-Sanita, dem bereits die Kliniken Valens sowie rund die Hälfte der Alters- und Pflegeheime St. Gallens angeschlossen sind. Eglin schreibt dazu, dass sich «ein Dutzend Gesundheitseinrichtungen, die sich im Entscheidungsprozess befanden, letztlich für eine andere Stammgemeinschaft entschieden haben».
Axsana verliert noch mehr Geld
Die Kündigungen von grossen Organisationen wie den beiden Psychiatrien sind für Axsana schmerzhaft, da sich der «Jahresbeitrag aufgrund der Anzahl Vollzeitstellen berechnet, nicht auf Betten», weil die Berechnung auch für den ambulanten Sektor funktionieren soll, wie Eglin erklärt. Mit rund 1'000 Mitarbeitenden zählen die Psychiatrien Süd und Nord zu den grössten Arbeitgebern der Region und somit auch zu den grössten Beitragszahlern an Axsana – Geld, das nun fehlt.
Der Zeitpunkt ist doppelt ungünstig: Einerseits weil Axsana zum neuen Jahr die Kündigungsfrist von 3 auf 6 Monate verlängert, was bis Ende 2022 noch weitere Organisationen zur Kündigung verleiten könnte. Andererseits weil Axsana ohnehin schon «vor verschiedenen finanziellen Herausforderungen steht, die einen tragfähigen und erfolgreichen Betrieb erschweren», wie die
Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) vor zwei Monaten in einem Bericht festhielt.
Zentrales Ausgabesystem gefordert
Samuel Eglin sieht den Fehler im System und schreibt: «Das dezentral konzipierte elektronische Patientendossier ist unter den jetzigen Rahmenbedingungen gesamthaft nicht überlebensfähig. Alle Stammgemeinschaften sind – bei einer ehrlichen Vollkostenrechnung ohne Quersubventionierung durch Technikprovider, Kantone oder Kantonsspitäler – unterfinanziert». Man könne derzeit einzig auf eine Ausweitungsstrategie setzen, was gesamthaft betrachtet jedoch ein Nullsummenspiel sei, so Eglin.
Axsana sieht nur einen Ausweg: «Wir fordern eine nachhaltige EPD-Finanzierung und eine Konsolidierung auf eine zentrale EPD-Infrastruktur». Dies sei in allen anderen Ländern mit einem erfolgreichen EPD auch der Fall. Ebenso sei man für «Aufhebung der Freiwilligkeit und für die Einführung einer Opt-Out-Lösung», schiebt Eglin nach. Auf Nachfrage, ob dies quasi der Widerspruchslösung bei Organspenden entspreche, sagt der Axsana-Geschäftsführer: «Ja.»
Bundesrat will zentrale Ablage und EPD-Pflicht
Dieselben Forderungen werden derzeit auf
bundesrätlichen Auftrag vom Eidgenössischen Departement des Innern abgeklärt: So sollen die Kantone die Finanzierungsverantwortung für den Betrieb der Stammgemeinschaften übernehmen. Zudem soll die Beibehaltung der Freiwilligkeit sowie die Einführung eines Opt-Out-Modells geprüft werden, «wobei l
etzteres vom Bundesrat bevorzugt wird.» Die Regierung will also auch ein Pflicht-EPD für alle, was angesichts der geplanten «zentralen Ablage für dynamische Daten» und der zuletzt zahlreichen Cyberangriffe auf Gesundheitsinstitutionen kein zu vernachlässigendes Risiko ist.
Weiter westlich läufts indes besser für Axsana. Ab sofort können von der Bevölkerung im Kanton Bern elektronische Patientendossiers eröffnet werden. Berner Bürgerinnen und Bürger können in den neu eröffneten EPD-Eröffnungsstellen in Bern, Biel und Thun bei Axsana ein elektronisches Patientendosser bestellen.
Neue Eröffnungsstellen im Kanton Bern
Nebst den 3 Stellen im Kanton Bern betreibt Axsana nur noch eine Eröffnungsstelle in der Stadt Zürich. «Weitere kantonale Projekte sind in Vorbereitung», schreibt Eglin. Man strebe aber kein Netz von Dossiereröffnungsstellen an. «Aus der Erfahrung unserer bisherigen Dossiereröffnungen wissen wir, dass dies über die vierzehn Kantone des Einzugsgebietes hinweg einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, und dennoch keine relevante Verbreitung des EPD bewirken würde», schreibt Eglin.
Konkret bedeutet das jedoch, dass Einwohnerinnen und Einwohner dieser 14 Kantone aktuell nur an 4 Orten ein EPD eröffnen können. Ein weiteres Hindernis ist, dass der Besitz einer SwissID bei Axsana Voraussetzung für die EPD-Eröffnung ist. Schuld daran seien aber Bundesvorschriften betreffend elektronischer Signatur für Einwillingserklärungen der Patientinnen und Patienten, so Eglin. Kein Wunder hat bis heute, fünf Jahre nach Inkrafttreten des EPD-Gesetzes, «schweizweit weniger als 1 Promille der Bevölkerung ein EPD eröffnet».