Berner Chefarzt in einen grossen Fall von Veruntreuung verwickelt

Ein Chefarzt an einem Stadtberner Spital kassiert eine bedingte Freiheitsstrafe. Der erfahrene Mediziner leitete merkwürdige Geldflüsse von insgesamt fast 1 Million Franken über sein Konto weiter.

, 22. Januar 2019 um 08:22
image
  • kanton bern
  • spital
  • ärzte
Ein Berner Chefarzt beurteilte im Auftrag eines Diplomaten der libyschen Botschaft in der Bundesstadt Patientendossiers libyscher Staatsbürger. Es ging um die Frage, ob die Patienten in der Schweiz behandelt werden können. Dabei überwies ihm die Botschaft die gesamten geschätzten Behandlungskosten. 20 Prozent erhielt er als Honoror, den anderen Teil musste der Arzt auf private Konten des libyschen Diplomaten weiterleiten.
Insgesamt überwies ihm die libysche Botschaft so 935'000 Franken, wie die Zeitung «Der Bund» am Dienstag berichtet. Im Schnitt verdiente der Chefarzt mit einer Kostenschätzung 10'000 Franken. Die Kostenschätzungen erstellte der Mediziner auf Briefpapier und mit Stempeln der Kliniken, für die er tätig war. Der Fall kam ins Rollen, weil bei der Credit Suisse die Alarmglocken läuteten: Das Finanzinstitut verlangte eine Erklärung für die Geldflüsse; der Arzt konnte allerdings keine schlüssige Begründung liefern.

Chefarzt unterstützte die Diplomaten

Das Berner Wirtschaftsstrafgericht sah es nun aber als erwiesen an, dass hier Geld veruntreut wurde.  Denn der Geldfluss als solcher ergebe keinen Sinn. Kurz: Der libysche Diplomat plünderte die Kasse seiner Botschaft. Um das zu verschleiern, wurden die Gelder über das private Firmenkonto des Arztes geleitet. 
Der Berner Chefarzt wurde schliesslich wegen Beihilfe zur Veruntreuung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt. Zudem muss der Mediziner 180'000 Franken in die Kasse des Kantons Bern zahlen. Dies entspricht dem Betrag, den er selbst aus dem Geschäft gezogen hat. Darüber hinaus muss der Arzt die Verfahrenskosten von 21'000 Franken tragen. 

«Keine grossen Fragen gestellt»

Der Chefarzt müsse «gewusst oder zumindest in Kauf genommen haben, ein Vermögensdelikt zu fördern», so das Gericht.  Er habe sich dazu aber keine grossen Fragen gestellt, sagte der Mediziner, der bereits Mitglieder des Ghadhafi-Regimes behandelt habe und heute Hausarzt mehrerer ausländischer Botschafter sei.
Ob der Mann das Urteil akzeptiert oder ans Obergericht weiterzieht, ist noch offen. Der Botschaftsmitarbeiter sowie ein weiterer im Fall involvierter Diplomat indessen geniessen diplomatische Immunität. Die Staatsanwaltschaft kann sie nicht zur Rechenschaft ziehen. Beide arbeiten noch auf der libyschen Botschaft in Bern.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Der Pflegeberuf braucht eine Imagekorrektur»

Bis Ende dieses Jahrzehnts braucht die Schweiz 30 Prozent mehr Pflegefachpersonen. Das Dilemma: die Ausbildungszahlen stagnieren oder sind gar rückläufig.

image

Knall beim Kantonsspital Winterthur

Gleich zwei Schlüsselfiguren verlassen das KSW per Frühling 2024: CEO Hansjörg Lehmann und Chief Nursing Officer (CNO) Susanna Oechslin gehen.

image

Ab morgen gilt das neue Datenschutzgesetz!

Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Was dieses für Arztpraxen und Spitäler bedeutet, erklärt der Anwalt und Datenschutzexperte David Vasella im Interview.

image

Was darf ein zusätzliches Lebensjahr kosten?

Für hochinnovative Medikamente müssen teils astronomische Summen bezahlt werden. Zugleich warten wir oft viel länger auf die Zulassung als unsere europäischen Nachbarn.

image

Hier drohen die gefährlichsten Fehldiagnosen

Gut zu wissen fürs Vermeiden von Fehlern: Es gibt fünf Erkrankungen, bei welchen falsche Diagnosen besonders schwere Folgen haben.

image

Diese fünf Behandlungen sollten sich Spitäler sparen

Keine vorbeugenden Antibiotika und keine Schlafmittel-Rezepte für zuhause: Das sind zwei von fünf neuen Empfehlungen für Spital-Ärzte.

Vom gleichen Autor

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.