Apotheker muss sich nicht an Notfalldienst beteiligen

Ein Apotheker aus dem Kanton Aargau muss sich nicht finanziell an der Notfallapotheke beteiligen. Auch eine Ersatzabgabe muss er gemäss Bundesgericht nicht zahlen.

, 30. August 2021 um 07:02
image
  • medikamente
  • apotheken
  • bundesgericht
  • kanton aargau
Der Aargauische Apothekerverband erliess vor sechs Jahren ein Reglement über den Apotheken-Notfalldienst. Jede Apotheke wurde einer Notfalldienstregion zugewiesen. In den Regionen Aarau, Lenzburg sowie Suhren- und unteres Wynental gründeten die betroffenen Apotheken die «Apotheke im Spital Aarau AG». Seit dem 1. Juli 2017 betreibt diese eine Apotheke auf dem Areal des Kantonsspitals Aarau (KSA). Sie steht Notfallkunden das ganze Jahr rund um die Uhr zur Verfügung.
Kurz nach der Gründung wurde der Besitzer einer Apotheke in der Notfallregion Aarau vom Verband aufgefordert, sich entweder an der Aktiengesellschaft zu beteiligen oder sich vom Notfalldienst dispensieren zu lassen und eine Ersatzabgabe zu zahlen. Die finanzielle Beteiligung umfasste einen einmaligen Aktienerwerb für 11'000 Franken und Gewährung eines Aktionärsdarlehens von 20'000 Franken. 
Der Apotheker ging aber nicht darauf ein. In der Folge auferlegte ihm der Apothekerverband eine Ersatzabgabe von 5'000 Franken für das zweite Halbjahr 2017. Er wehrte sich. Beschwerden des Apothekers an den Regierungsrat und das kantonale Verwaltungsgericht blieben erfolglos. Der Apotheker gelangte bis vor das Bundesgericht. 

Regelung des Verbands verletzt mehrere Grundrechte

Die höchste Instanz hat die Beschwerde des Apothekers nun gut geheissen. Das System der Beteiligung oder der Bezahlung einer Ersatzabgabe steht gemäss Bundesgericht im Widerspruch zu der in der Verfassung verankerten Vereinigungsfreiheit und zur Wirtschaftsfreiheit.
Eine Zwangsmitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft könne nicht als erforderlich zur Regelung von Notfalldienst erachtet werden. Mit Blick auf die Wirtschaftsfreiheit sei ein solches System «unverhältnismässig». Und diese Grundrechtseinschränkungen müssten ohnehin in einem formellen Gesetz geregelt werden und nicht auf Stufe eines Reglements.
Darüber hinaus  verstösst die Regelung gegen übergeordnetes Recht, wie im Urteil weiter zu lesen steht. Eine Auslegung ergibt, dass es hinsichtlich der Bestimmung zum Notfalldienst im Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (MedBG) nicht zulässig ist, die persönliche Leistung von Notfalldienst durch rein finanzielle Verpflichtungen zu ersetzten.  
  • Urteil vom 27. August 2021 (2C_595/2020)
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Pharmafirma streicht in Basel 150 Stellen

Das deutsche Pharma-Unternehmen Bayer baut an ihrem Standort in Basel 150 von rund 1000 Stellen ab. Nicht ganz überraschend.

image

Nun hat auch das Stadtspital Zürich eine Publikums-Apotheke

Gemeinsam betreiben 31 Apotheken aus der Stadt ein neues Geschäft im Triemli-Spital.

image

Suizidkapsel ist kein Heilmittel

Swissmedic hat die Suizidkapsel Sarco einer ersten heilmittelrechtlichen Einschätzung unterzogen. Das Resultat ist wenig überraschend.

image

Soignez-moi-Gründer Boichat bringt Generikum-App

Die neue Website Genericum.ai zeigt an, welches Medikament am billigsten ist. Und sie legt Preiserhöhungen offen.

image

Keine Zulassung für Alzheimer-Medikament Lecanemab

Die Europäische Arzneimittelagentur will den Wirkstoff Lecanemab nicht zulassen. Die Nebenwirkungen seien grösser als der Nutzen.

image

Medikamenten-Mangel: Ärzte fordern europäische Strategie

In einer gemeinsamen Resolution verlangen die deutschsprachigen Ärzte-Gesellschaften, dass die Abwanderung der Heilmittel-Produktion nach Asien gebremst wird.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.