Der Dachverband FMCH sowie 29 ärztliche Fachgesellschaften und Berufsorganisationen fordern gemeinsam, dass die neuen ambulanten Pauschalen sofort überarbeitet werden. In einem offenen Brief kritisieren sie «gravierende Mängel, die die Qualität der ambulanten Versorgung in der Schweiz gefährden».
Die Kritik ist nicht neu: Bereits bei der Erarbeitung des neuen Tarifsystems meldeten der Chirurgenverband FMCH sowie viele Fachgesellschaften
Widerstand an. Als sich Ärzte, Versicherer und Spitäler dann im Oktober – auf Druck des Bundesrates – auf das neue Gesamtsystem einigten, stellten die Spezialisten-Organisationen klar, dass sie den Entscheid allenfalls vorübergehend akzeptieren können. In einer Zusatzvereinbarung wiederum einigten sich die Tarifpartner darauf, dass Mängel und Fehler behoben werden müssen.
Dies fordert die Spezialisten-Allianz nun ein. In ihrem offenen Brief bemängeln die Ärzte, dass die Pauschalen – die ab 2026 gelten sollen – erstens keine solide Datenbasis haben, zweitens zu wenig medizinische Expertise spiegeln und drittens unklare Abrechnungsmodalitäten enthalten.
Einfach & komplex im gleichen Korb
«Die Pauschalen spiegeln die tatsächliche Komplexität medizinischer Leistungen nicht wider und könnten zu einer Zweiklassenmedizin und Qualitätseinbussen führen», warnt der offene Brief. «Beispielsweise fallen einfache und komplexe Eingriffe in dieselbe Vergütungskategorie, was zu Fehlanreizen und einer ungerechten Verteilung der Ressourcen führt.»
Würden die Kosten falsch kalkuliert – so die Warnung –, dann könnten Patientinnen und Patienten mit komplexen Erkrankungen nicht mehr adäquat versorgt werden. Obendrein bestehe die Gefahr einer Unterversorgung in bestimmten Bereichen. Oder aber den Patienten würden für Kleinsteingriffe unnötige Kosten auferlegt, da diese Behandlungen in inhomogenen Pauschalen die komplexen und komplizierten Eingriffe quersubventionieren.
Doch schrittweise Einführung
Erneut fordert die Allianz als eine «sofortige Überarbeitung» der Pauschalen – mit mehr medizinischer Expertise. Dabei soll auch transparent dokumentiert werden, wie die Expertise der Fachgesellschaften bei der Entwicklung der Pauschalen eingeflossen ist.
Sollte der Bundesrat aber die Forderungen nicht erfüllen, «werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um gegen die Einführung dieser mangelhaften Pauschalen vorzugehen», heisst es im von FMCH-Präsident Michele Genoni und Geschäftsführer Lukas Künzler unterschriebenen Brief. Eine sinnvolle Alternative sei ansonsten auch eine gestaffelte Einführung – wobei die FMCH als Daten einerseits den Januar 2026 für den Tardoc, andererseits den Januar 2027 für die (überarbeiteten) Pauschalen vorschlägt.
Neben der FMCH stehen diese 29 Fachgesellschaften hinter dem offenen Brief:
- BBV+ (Berner Belegärzte-Vereinigung+)
- BSOC (Berufsverband der Schweizer Ophthalmochirurgie)
- SBV (Schweizerische Belegärzte-Vereinigung)
- SGA (Schweizerische Gesellschaft für Angiologie)
- SGC (Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie)
- SGDV (Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie)
- SGG (Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie)
- SGG (Schweizerische Gesellschaft für Gefässchirurgie)
- SGGG (Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe)
- SGH (Schweizerische Gesellschaft für Handchirurgie)
- SGK (Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie)
- SGKC (Schweizerische Gesellschaft für Kinderchirurgie)
- SGMKG (Schweizerische Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie)
- SGNC (Schweizerische Gesellschaft für Neurochirurgie)
- SGNM (Schweizerische Gesellschaft für Nuklearmedizin)
- SGNR (Schweizerische Gesellschaft für Neuroradiologie)
- SGORL (Schweizerische Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie)
- SGP (Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie)
- SGPath (Schweizerische Gesellschaft für Pathologie)
- SGPRÄC (Schweizerische Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie)
- SGR (Schweizerische Gesellschaft für Radiologie)
- SGS (Schweizerische Gesellschaft für Spinale Chirurgie)
- SGT (Schweizerische Gesellschaft für Thoraxchirurgie)
- SGU (Schweizerische Gesellschaft für Urologie)
- SGUM (Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin)
- SGZ (Schweizerische Gesellschaft für Zytologie)
- SOG (Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft)
- SSAPM (Schweizer Gesellschaft für Anästhesiologie und Perioperative Medizin)
- Swiss Orthopaedics (Schweizerische Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie)