Noch mehr Verstrickungen bei IT-Vergaben des BAG

Obwohl der Ex-Leiter Digitalisierung Covid-19 beim BAG in Interessenskonflikte und freihändige Vergaben involviert ist, leitet er immer noch ein wichtiges Projekt für das Amt. Unter diesem Aspekt fällt eine weitere Vergabe negativ auf.

, 12. April 2023 um 11:38
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BAG, Campus Liebefeld. | zvg
Die Finanzkontrolle (EFK) kritisierte eine Beschaffung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) scharf. Es gebe potenzielle Interessenskonflikte, grosse freihändige Vergaben und unerklärliche Leistungsverbuchungen.
Im Zentrum der Vorwürfe: Der externe IT-Spezialist Pascal Walliser, der während der Pandemie kurzfristig als Leiter Digitalisierung Covid-19 beim BAG eingesetzt wurde.

Fragwürdige Verbindung

Es geht unter anderem um eine freihändige Vergabe über rund 10 Millionen Franken an die Firmen Onedoc und Soignez-Moi. Walliser war bestens mit Soignez-moi.ch-Gründer Romain Boichat bekannt.
Sie waren von 2013 bis 2015 Kaderangestellte der Privatklinikgruppe Genolier Swiss Medical Network. Zudem waren beide bis 2022 Zeichnungsberechtigte bei der E-Health-Firma Fluance, wie Journalist Petar Marjanović auf Twitter nachzeichnete.
Dennoch war Pascal Walliser in seiner Funktion im Mandatsverhältnis beim BAG bis Juni 2022 tätig, wie das Amt gegenüber inside-it.ch bestätigt. Und bis heute hat er mit dem BAG zu tun.
Walliser ist seit Februar 2009 Mitglied des Verwaltungsrats und Partner bei der Berner IT-Firma Inpeek, welche vergangenes Jahr einen Auftrag des BAG erhielt.

Zuschlag an die eigene Firma?

Am 14. Juni 2022, also zwei Wochen vor dem Mandatsende Wallisers, vergab das BAG einen Zuschlag über knapp 7,3 Millionen Franken an Inpeek für die Weiterentwicklung des Covid-19-Dashboards in ein EPI-Infoportal. «Pascal Walliser leitet dieses Projekt seitens Inpeek», bestätigt BAG-Sprecher Simon Ming.
Ein Interessenskonflikt? Auf Anfrage von inside-it.ch antwortet nicht Walliser selbst, sondern Benjamin Weiss, ebenfalls Partner bei Inpeek, dass «für die Vergabe und die Durchführung des genannten Beschaffungsverfahrens das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) zuständig ist».
Ein Zusammenhang oder gar Interessenkonflikt mit anderen Mandaten, die Pascal Walliser zum Zeitpunkt des Beschaffungsverfahrens beim BAG ausgeübt habe, «bestand nach unserer Kenntnis zu keinem Zeitpunkt», so Weiss. Für weitere Auskünfte verweise er ans Bundesamt für Gesundheit.

Walliser trotz Mandat involviert

Das BAG schreibt uns, dass «Pascal Walliser in keiner Art und Weise in die Auftragsvergabe des Projekts EPI-Infoportal involviert war». Dieses Projekt sei nicht von der Krisenorganisation ausgeschrieben worden, wo er im Mandatsverhältnis beschäftigt war.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle schreibt auf Anfrage von inside-it.ch, dass «in solchen Fällen – verstärkt durch die Covid-19 Ausnahmesituation – Beschaffungsgeschäfte in einem breiteren Kontext und allfällige strafrechtliche Konsequenzen abgeklärt werden müssen».
Dies habe die EFK dem Generalsekretariat des EDI empfohlen, so Bettina Braun, Fachspezialistin Kommunikation. Zur konkreten Beschaffungsprüfung der IT-Applikation zur Impfung habe die EFK indes keine Empfehlung abgegeben, gegen die beteiligten Unternehmen eine Strafanzeige zu prüfen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf «Inside IT» erschienen.

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