Massnahmenpaket 2 – eine bürokratische Dummheit

Der BAG-Reformismus hat ein neues Kuriosum kreiert. Nach einer katastrophalen Vernehmlassung zur ersten Version schickt BR Berset nun eine abgespeckte Version ins Parlament. Das BAG will die koordinierte Versorgung fördern. Effektiv erdrosselt sie eine 25-jährige Aufbauarbeit und Erfolgsgeschichte.

, 29. September 2022 um 05:17
image
Die letzten dürftigen Ideen aus dem bunten Strauss von kostendämpfenden Massnahmen hat BR Alain Berset am 7.9.22 zusammengeschnürt im Massnahmenpaket 2 ans Parlament geschickt. Zur Kostendämpfung werden keine Schätzungen mehr gemacht. Es hat einen dicken Hund drin: Die Förderung der koordinierten Versorgung. Was ganz harmlos daherkommt, ist in Wirklichkeit eine weitere Verstaatlichung in der Medizin – diesmal der vernetzten Versorgung. Die koordinierte Versorgung wird bewilligungs- und aufsichtspflichtig und soll engen staatlichen Vorgaben genügen. Was für ein Unsinn. Damit wird kein einziges Problem in der Patientenversorgung gelöst, es werden aber viele neue Probleme geschaffen. Bestehende Ärztenetze werden zerstört und eine dynamische und innovative Bewegung abgewürgt. Die angebliche Förderung wird zur bürokratischen Behinderung, ja zum Todesstoss!
In der Schweiz konnte sich ohne Regulierung eine blühende koordinierte Versorgung entwickeln. Ein Erfolgsmodell mit besserer Qualität als in der unkoordinierten Versorgung und mit 20 Prozent Kosteneinsparung. Diese Modelle stehen in der ganzen Schweiz zur Verfügung. Will man die koordinierte Versorgung jetzt weiter fördern und ihr zum durchschlagenden Erfolg verhelfen braucht es neben Efas und Tardoc welche für ein besseres Gesundheitswesen sowieso überfällig sind, zwei kleine Anpassungen
  • Faire Wettbewerbsbedingungen für Ärzte und Ärztinnen in Netzwerken: Möglichkeit, sich aus einseitig von Versicherungen erstellten Listen streichen zu lassen (KVG 41.4)
  • Eine Liberalisierung der Prämiengestaltung für alternative Versicherungsmodelle (KVV).
Der Erfolg der heutigen hausärztlich koordinierten Versorgung beruht auf einer freiwilligen Vertragsbereitschaft zwischen Versicherten, Ärztenetzen und Versicherern. Die Qualitätssteigerung und die Kostensenkung resultieren aus den richtigen Anreizen für Ärzte und Ärztinnen, das Richtige zu tun und das Überflüssige wegzulassen.
Nun sollen in einem wirren neuen KVG-Artikel 37 kantonale Leistungsaufträge und bundesrätliche Vertragsauflagen für die koordinierte Versorgung eingeführt werden. Das BAG hat vergessen, dass es dazu einerseits Versicherungsprodukte und andererseits die Bereitschaft der Patienten und Patientinnen braucht, die Vorteile dieser Koordination zu nutzen. Ohne diese Mitverantwortlichkeit der Patientinnen und Patienten funktioniert das nicht. Die Kantone sollen neu Leistungsaufträge für die koordinierte Versorgung aufstellen. Das bedeutet Bedarfsnachweis, Mengengerüste, Qualitätsvorschriften und Qualitätskotrolle durch die Kantone. Die bisherigen Ärztenetze müssten sich neu beim Kanton für den Leistungsauftrag und eine Zulassung bewerben. Wollen die Kantone das? Wollen sie einen neuen Apparat aufbauen für etwas, das sich bereits bestens selber regelt? Sie sind mit den Zulassungsbestimmungen und Kontingentierung doch schon heillos gefordert.
Der Bund will die Mindestanforderungen für die Verträge zwischen Leistungserbringern und Versicherern festlegen. Warum? Woher hat denn das BAG das Wissen und die Erfahrung, solche Verträge zu überprüfen? Es ist das Schlimmste zu befürchten.
Erschreckend naiv hat also das EDI/BAG mit dem Art. 37 eine Fantasiekonstruktion vorgelegt, die offenbar das Gute will und doch das Böse schafft. Es ist ein Radikalangriff auf die bestehenden und bestens funktionierenden Hausarztmodelle mit koordinierter Versorgung. Deshalb soll dieser Art. 37 gestrichen werden.
Angesichts dieses Flickwerks wäre das Parlament gut beraten, auf diese Vorlage erst gar nicht einzutreten.
Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze
  • politik
  • felix huber
  • kostendämpfung
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

Forschung muss Frauen und Alte mehr berücksichtigen

Der Bund regelt die Forschung an Menschen stärker. Künftig sollen mehr Frauen und Alte teilnehmen.

image

Braucht es ein Bundesgesetz über die Gesundheit?

Ja, findet die Akademie der Medizinischen Wissenschaften – und formuliert gleich einen Vorschlag: So sähen ihre Paragraphen aus.

image

Bei der Gesundheit gibt es keine Bundes-Subventionen zu kürzen

Die Eidgenössische Finanzkontrolle will bei den Subventionen sparen. Der Gesundheitsbereich wird aber vom Bund kaum subventioniert.

Vom gleichen Autor

image
Gastbeitrag von Felix Huber

EPD – und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt

Das EPD verschlingt jährlich 70 bis 80 Millionen und kommt nicht vom Fleck. Ganze 20'000 Personen haben sich bis jetzt mühsam registriert. Jetzt will der Bund Zwangsmassnahmen einführen.

image

Pfisters Bremsentrick ist ein Steilpass für Bersets Kostenzielplan

Auch der Ständerat möchte also zur Kostenbremse einen indirekten Gegenvorschlag bereithalten. Die Initiative wird an der Urne sicher abgelehnt. Für planerische Vorgaben fehlen sämtliche Datengrundlagen. Das hindert selbst bürgerliche Politiker nicht, einem bürokratischen Planungsrausch zu verfallen.