EPD – und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt

Das EPD verschlingt jährlich 70 bis 80 Millionen und kommt nicht vom Fleck. Ganze 20'000 Personen haben sich bis jetzt mühsam registriert. Jetzt will der Bund Zwangsmassnahmen einführen.

Gastbeitrag von Felix Huber, 7. Oktober 2023 um 04:57
image
Felix Huber: «Der Anschluss ans EPD ist für Leistungserbringer aufwändig und teuer.»
Wir stehen kurz vor Abschluss der Vernehmlassung zum geänderten EPD-Gesetz. Der Anschluss ans EPD wird für alle Leistungserbringer obligatorisch, mit Strafen im Unterlassungsfall bis 250'000 Franken sowie befristetem oder definitivem Entzug der Zulassung. Die Patienten müssen sich aktiv gegen einen Anschluss ans EPD wehren (opting-out).

«Wer übernimmt den unglaublich schwerfälligen Registrierungsprozess für die Menschen, die nicht reagieren, sich aber nicht registrieren können?»

Wir haben es versucht. Die Onlineregistrierung dauert für einen IT-affinen Patienten über eine Stunde und umfasst 30 anspruchsvolle Schritte. Wie soll das umgesetzt werden, für die Bürgerinnen und Bürger, die kein opting-out wählen oder die nicht so IT-affin sind?
Das haben die Beamten nicht zu Ende gedacht. Wer übernimmt denn den unglaublich schwerfälligen Registrierungsprozess für die Menschen, die nicht reagieren, sich aber nicht registrieren können?

«Warum soll ich mich als Bürger registrieren, wenn sich lediglich ein paar veraltete PDF-Dokumente auf dem persönlichen Dossier finden lassen?»

Und warum soll ich mich als Bürger registrieren, wenn der Nutzen des EPD marginal ist, weil sich lediglich ein paar veraltete PDF-Dokumente auf dem persönlichen Dossier finden lassen.
Der Anschluss ans EPD für Leistungserbringer ist aufwändig und teuer. Dazu zählen etwa teure Softwareanpassungen für Schnittstellen und elektronische Identitäten für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer finanziert nun den Aufwand für den obligatorischen Anschluss aller ambulanten Leistungserbringer ans EPD? Dazu schweigt sich die aktuelle EPD-Reform aus.

«Das Debakel und die Frustration werden gigantisch sein.»

Wenn das EPD also niemanden überzeugt, werden auch Vorschriften erfolglos bleiben. Das Debakel und die Frustration werden gigantisch sein. Anstatt drakonischen Schritten braucht es also zuerst eine Verbesserung des Nutzens:
  • Der Anschluss ans EPD für Leistungserbringer ist aufwändig und teuer. Dazu zählen etwa teure Softwareanpassungen für Schnittstellen und elektronische Identitäten für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer finanziert nun den Aufwand für den obligatorischen Anschluss aller ambulanten Leistungserbrin
  • Dazu braucht es Schnittstellen zu den Klinikinformationssystemen, den Praxisinformatiksystemen, den Labors, Röntgeninstituten etc. Mit dem Projekt Smart Managed Care entwickeln die grossen gut strukturierten Hausarztnetze gerade eine Lösung die zeigt, dass solche Projekte möglich sind (https://www.medinside.ch/kann- digitalisierung-gegen-den-hausaerztemangel-helfen-20230825)
  • Die Benutzung des EPD muss für alle Leistungserbringenden praxistauglich und ohne komplizierten Mehraufwand möglich sein. Sonst wird einfach nichts geschehen. Alle zwangsweise angeschlossenen Institutionen werden keine Daten hochladen. Gibt es dafür dann bei der nächsten Revision auch Strafandrohungen? Will die Politik den Fachkräftemangel mit sinnlosen administrativen Belastungen noch verstärken?
  • Es darf keine zentrale Datenspeicherung geben. Das ist aus Datenschutzsicht viel zu gefährlich. Die Architektur muss auf einer on-demand-Lösung basieren, die im Moment der Anfrage die Daten aus den dezentralen Datenablagen zusammenfasst. Die Aufgabe des Staates ist einzig, die Topographie dieser bereits vorhandenen Datenspeicher zu kartographieren.

«Mit Verpflichtung alleine wird sich die Qualität des EPD nicht verbessern lassen.»

Die vorliegende Gesetzesrevision zeigt nun aber leider nicht auf, wie aus dem völlig unstrukturierten EPD ein sich nahtlos in den Arbeitsablauf verschiedenster Leistungserbringer einfügendes taugliches und arbeitserleichterndes Instrument werden kann. Stattdessen ist das Gesetz vorwiegend auf Verpflichtung und Strafe ausgerichtet.
Mit Verpflichtung alleine wird sich die Qualität des EPD nicht verbessern lassen. Wer übernimmt denn die Verantwortung für dieses gigantische Geldvernichtungsprojekt, das nie zum Fliegen kommen wird? Jetzt sind mutige Korrekturen und keine Zwangsjacken angesagt.
Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze


  • Gastbeitrag
  • Felix Huber
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von Patrick Hässig und Fabian Kraxner

Kürzere Arbeitszeiten sind die nachhaltige Lösung

Wenn die Spitäler die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte kürzen müssten, dann würden sie den Fokus sinnvoller setzen. Zum Beispiel auf bessere Prozesse.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

image
Gastbeitrag von Ronald Alder

Kürzere Arbeitszeiten sind auch nicht die Lösung

Die Politik sieht das Gesundheitswesen unterm Kostenröhrenblick, die Gewerkschaften haben den Arbeitszeitenröhrenblick. Und so werden die wahren Probleme übersehen.

image
Gastbeitrag von Philipp Thüler

«Die Spitäler müssten sich sehr genau überlegen, wofür sie die Arbeitszeit nutzen»

Mit einer tieferen Sollarbeitszeit könnten die Assistenzärztinnen und -ärzte nicht mehr einfach als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden.

image
Gastbeitrag von Andri Silberschmidt

Digitalisierung: Jetzt können wir die PS auf den Boden bringen

Wenn es um Digitalisierung geht, wird zuviel über Fax und EPD diskutiert – und zu wenig über Prozesse. Höchste Zeit, das zu ändern.

image
Gastbeitrag von Angelo Barrile

Macht vorwärts mit der Digitalisierung

Es muss Schluss sein damit, dass Ärztinnen und Ärzte Überstunden schieben, um Formulare auszufüllen.

Vom gleichen Autor

image

Pfisters Bremsentrick ist ein Steilpass für Bersets Kostenzielplan

Auch der Ständerat möchte also zur Kostenbremse einen indirekten Gegenvorschlag bereithalten. Die Initiative wird an der Urne sicher abgelehnt. Für planerische Vorgaben fehlen sämtliche Datengrundlagen. Das hindert selbst bürgerliche Politiker nicht, einem bürokratischen Planungsrausch zu verfallen.

image

Massnahmenpaket 2 – eine bürokratische Dummheit

Der BAG-Reformismus hat ein neues Kuriosum kreiert. Nach einer katastrophalen Vernehmlassung zur ersten Version schickt BR Berset nun eine abgespeckte Version ins Parlament. Das BAG will die koordinierte Versorgung fördern. Effektiv erdrosselt sie eine 25-jährige Aufbauarbeit und Erfolgsgeschichte.