Krankenkassen gegen weiteres Herzchirurgie-Zentrum

Curafutura und Santésuisse gehen gerichtlich gegen den Leistungsauftrag fürs Kantonsspital St. Gallen vor.

, 23. April 2024 um 12:07
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Aber bitte nicht in St. Gallen: Herzchirurgische Operation am KSSG-Partnerspital USZ | Bild: GD Kanton Zürich.
Die Kassenverbände Curafutura und Santésuisse gehen gemeinsam gegen die Herzchirurgie-Pläne des Kantonsspitals St. Gallen vor. Sie haben beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen den entsprechenden Leistungsauftrag eingereicht, den Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St.Gallen dem KSSG erteilten.
Ein weiteres Herzzentrum senke die Fallzahlen, was sich negativ auf die Behandlungsqualität auswirke und die Kosten für die Versicherten in die Höhe treibe, so das Argument: «Als Vertretung ihrer Versicherten erwarten die Krankenversicherer von den Kantonen eine Spitalplanung mit Augenmass sowie die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der interkantonalen Koordination, Wirtschaftlichkeit sowie Qualität.»
Es sei daher unverständlich, dass das KSSG in sechs herzchirurgischen Leistungsgruppen tätig werden soll, obschon die Dichte an Herzzentren in der Schweiz bereits heute nahezu doppelt so hoch ist wie in den Nachbarländern.

Was ist Grundversorgung?

Das Kantonsspital St.Gallen plant einen Bereich Herzchirurgie im Rahmen einer Allianz mit dem USZ und dem Stadtspital Zürich Triemli. Die drei Kantonsregierungen bewilligten den Antrag im März – «um der Unterversorgung in der Ostschweiz entgegenzuwirken», so damals die Erklärung.
Das KSSG selber erklärte seine Pläne mit dem Ziel einer «kantonsübergreifenden Sicherstellung und Weiterentwicklung der herzchirurgischen Versorgung.» Das traf – teils auch innerkantonal – auf Widerspruch in einer Zeit, wo die St. Galler Spitäler beispielsweise beim Pflegepersonal sparen müssen. Ende Februar legte dann Hans Rickli, der Chefarzt der KSSG-Klinik für Kardiologie, die Pläne einer breiteren Öffentlichkeit dar. «Bypässe und Herzklappen sind herzchirurgische Grundversorgung», sagte er in einem grossen Interview mit dem «Tagblatt»: «Hochspezialisierte Eingriffe, wie Transplantationen, werden auch künftig nicht in St.Gallen gemacht. Es bestehen sowohl heute als auch morgen keine Absichten, dies zu ändern.»

Wohnortsnah und ohne Unterbruch

Er strebe in St. Gallen kein weiteres Herzzentrum an, so Rickli. Aber das KSSG wolle eine regionale Versorgung dort, wo es möglich ist. «Unsere Kardiologie ist die fünftgrösste der Schweiz, aber ihr fehlt die Herzchirurgie. Diese Lücke wollen wir schliessen. Herzchirurgie und Kardiologie arbeiten immer enger zusammen.»
Benötigt zum Beispiel jemand eine Herzklappe oder einen Bypass, dann muss Rickli diese Person heute an eine Klinik ausserhalb des Kantons überweisen. Künftig könnte man aber «diese Patienten wohnortnah und ohne Unterbruch des Behandlungsprozesses am Kantonsspital versorgen.»
Auf der anderen Seite wäre so eine Verbundlösung mit drei Standorten in der stationären Versorgung eine zukunftsweisende Lösung.

«Sicherheit im Seitenwagen»

Auf der Gegenseite meldete Thierry Carrel öffentlich Widerspruch an. Der bekannte Herzchirurg, der inzwischen am USB tätig ist, befand in einem weiteren Interview mit dem «Tagblatt», die Zeiten für solche Ausbau-Projekte seien vorbei: Man habe schliesslich allgemein rückläufige Fallzahlen in der Herzchirurgie.
Zwar ist – beispielsweise – der Herzklappenersatz mittels Katheter immer noch ein Eingriff, der eine Herzchirurgie benötigt. Aber dies werde in absehbarer Zeit ändern: Die Herzchirurgie «als Sicherheit im Seitenwagen» werde wohl schon in wenigen Jahren überflüssig sein.
«Hier wird der Bedarf einer Herzchirurgie missbraucht, um der Kardiologie solche Katheterverfahren bei einem Klappenersatz zu ermöglichen», so Carrel zu den St. Galler Plänen. Das sei eine der bestbezahlten Behandlungen – und beim gemeinsamen Projekt gehe es «selbstverständlich um Prestige und Umsatz».
Doch die sehr spezialisierten Eingriffe, auf die sich die heutige Herzchirurgie verstärkt konzentriert – etwa Transplantationen – «werden nie oder höchst selten in St.Gallen gemacht und wenn, dann mit ungenügenden Fallzahlen».
Die Entwicklung zeige in eine andere Richtung. Sechs Herzchirurgien genügten in der Schweiz – vier an Universitätsspitälern und zwei an grossen Privatkliniken.

Wo fehlen die Zahlen?

Santésuisse und Curafutura verweisen ebenfalls auf das vorhandene Herzchirurgie-Angebot in der Ostschweiz und der Stadt Zürich: Die Patienten könnten in einer Fahrstunde zu Herzchirurgien im Herz-Neuro-Zentrum Bodensee, in der Klinik Hirslanden Zürich und in der Herzchirurgie am USZ/Triemli gelangen. «Die Regierungen von St.Gallen und beider Appenzell haben die Interessen der Spitalleitung stärker gewichtet als die Sorgen der Prämienzahlerinnen und -zahler, die den Leistungsausbau werden berappen müssen.»
Es brauche keine weitere Kapazität in diesem Bereich, zumal diese erst aufgebaut werden muss. Weiter würden die herzchirurgischen Eingriffe den anderen Herzzentren fehlen, wodurch auch dort die Kosten steigen werden.
Und so wolle man – «auch als klares Signal» – vom Beschwerderecht Gebrauch machen.
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