Die Zahlen wurden kürzlich
bekannt: In den beiden Basel werden rund 20 Prozent mehr Fälle stationär behandelt, als dies anhand der Struktur der Wohnbevölkerung zu erwarten gewesen wäre. Dies zeigte der neue Versorgungsbericht der Gemeinsamen Gesundheitsregion Basel- und Baselland.
Schneller wieder eigenständig
Nun diskutieren die Behörden darüber, ob und wann eine Behandlung überhaupt nötig sei. Schliesslich sei es doch ein Ziel, dass ein Patient wieder sagen könne, dass er gestärkt und eigenständig durchs Leben gehen könne.
In Basel sind es nun nicht mehr nur Gesundheitsökonomen, die der Meinung sind, dass es auch ein Zuviel und Zulange bei Behandlungen geben könne. In der «Basler Zeitung» sagte Matthias Jäger, Leiter der Erwachsenenpsychiatrie in der Psychiatrie Baselland, zum Beispiel unmissverständlich: «Tritt nach einigen Wochen oder Monaten der Behandlung die gewünschte Besserung ein, sollte die Behandlung abgeschlossen werden, sodass der Behandlungsplatz einer anderen Person zur Verfügung steht.»
Therapeuten wehren sich gegen Zweitmeinung
Auch der Verband der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Region Basel ist der Meinung, dass Therapien nur so lange wie notwendig durchgeführt werden sollen. Allerdings wollen sich die Therapeuten nichts vorschreiben lassen. Die Gesundheitsbehörden der beiden Basel wollen bei länger andauernden, ambulanten Psychotherapien eine Zweitmeinung verlangen. Der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber stellt nämlich fest, dass es immer wieder Personen gebe, die sehr lange in Therapien bleiben würden.
Doch der Verband findet, dass die Psychotherapeuten selber den Behandlungsbedarf beurteilen könnten. Zweit- und Drittmeinungen seien bloss ein teurer Papierkrieg.
Suizidrate ein messbarer Wert?
Auch der Verein Ethik und Medizin Schweiz (VEMS) hat sich in die Diskussion eingeschaltet – und zwar als Kritiker von kürzeren Therapien. Therapien seien nicht mit einer Knie-Operationen vergleichbar. Es gebe keine Laborwerte, die Auskunft über den Grad der Heilung geben könnten.
Der VEMS ist allerdings der Meinung, dass es auch in der Psychiatrie sehr wohl Werte und Eckpunkte der Erfolgsmessung gebe, so zum Beispiel die Suizidrate. Diese liege im Kanton Basel-Stadt im unteren Drittel, im Kanton Zürich, wo weniger Psychotherapie gemacht wird, hingegen im oberen.
Sind Krankheitslasten die unerwünschte Folge?
Das sei natürlich kein Beweis, doch wollte ein solcher Kausalzusammenhang auch nicht a priori ausgeschlossen werden. Und kritisch merkt der Verein an: Man glaube ja zu wissen, dass die Medizin im Allgemeinen eher etwas zu viel behandle, ergo seien Behandlungen tendenziell wohl eher unnötig. «Dieses Denken ist populär, doch gefährlich. Wir handeln uns damit Krankheitslasten ein – und nehmen unter Umständen auch vermeidbare Selbstmorde in Kauf.»
Neu: Eine hybride Tagesklinik
Im Februar
eröffnet die Klinik Sonnenhalde in Basel eine so genannte «hybride» Tagesklinik. Vor allem junge Erwachsene, die psychisch erkrankt sind, sollen sie künftig nutzen. Therapiert wird unter anderem auch mit «Virtual Reality». Die Patienten verbringen nur jeden zweiten Tag in der Klinik und üben das Erlernte am Folgetag im Alltag. So werden die Patienten weniger aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen.
Wenn die Patienten nicht in der Klinik sind, können sie Videogespräche mit ihren Therapeuten führen und Therapie-Tools auf ihren Tablets nutzen. Das Ziel ist, dass die Patienten zunehmend mehr Zeit ausserhalb der Tagesklinik verbringen können. Was letztlich auch die Kosten senken soll.
Basel will vor allem von der «Rundumbetreuung» wegkommen, da diese besonders teurer ist. In Zahlen: Ein Behandlungstag in einer stationären Klinik kostet 700 Franken. In einer Tagesklinik kostet er nur die Hälfte – weil die Übernachtungskosten wegfallen.
In Zukunft wollen die beiden Basel die Leistungsaufträge an jene Psychiatrien und Kliniken vergeben, die bereit sind, effizienter zu arbeiten, das heisst Tagesaufenthalte, Heimtherapien und digitale Therapien anbieten.