Der «K-Tipp» nahm jüngst die grossen Physiotherapie-Praxen ins Visier. Unter der Schlagzeile
«Teurere Physiotherapien zulasten der Prämienzahler» meldete das Konsumentenmagazin, dass Praxen immer häufiger die teurere Tarifposition 7311 für aufwendige Behandlungen verrechnen – statt der «gewöhnlichen» Position 7301.
Der Artikel konzentrierte sich insbesondere auf grössere Praxen und nannte namentlich die Physiozentrum-Gruppe, also den Marktführer mit 29 Standorten im Land. Konkret beschrieben wurde der Fall eines «K-Tipp-Lesers aus Zürich», der an chronischen Schmerzen im Brustbereich litt. Ihm verrechnete das Physiozentrum bei neun Einzelsitzungen jeweils den Tarif 7311. Davor war er allerdings mit denselben Beschwerden bereits im Unispital Zürich behandelt worden – und dort verbuchte die Physiotherapeutin immer den tieferen Tarif.
Physiozentrum-Verwaltungsrat Christoph Landolt reagiert nun mit einem
offenen Brief, in dem er die Gegenfrage in den Raum stellt: Arbeitet das USZ vielleicht zu günstig?
Zweierlei Realitäten
Die Physiozentrum-Gruppe hatte den vom «K-Tipp» beschriebenen anonymen Patienten inzwischen eruiert – und kommt zum Schluss: «Unser Team hat korrekt abgerechnet. Der Patient hat neben einer Hauptdiagnose zwei Nebendiagnosen, die einen Einfluss auf die Therapie haben. Mehrere Gelenke in mehreren Körperregionen sind betroffen. Somit sind die Kriterien für 7311 nicht nur einmal, sondern mehrmals erfüllt. Die Realität hat wenig zu tun mit dem Bild, das die beiden K-Tipp-Journalisten gezeichnet haben.»
Dies zeige sich insbesondere daran, dass die Versicherung die Rechnung ohne Rückfrage beglichen hatte – was der «K-Tipp» allerdings nicht erwähnte.
«Indem die Versicherung bezahlt, hat sie unseren Leistungsanspruch bestätigt. Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Versicherung in diesem Fall?», fragt Physiozentrum-Mitgründer Landolt nun die Redaktion der Konsumentenzeitschrift: Ob sie der Ansicht sei, dass 85.47 Franken für die Behandlung unangemessen sind?
Dass der anonyme Patient wegen demselben Problem im Unispital Zürich zu einem Tarif von nur 53,28 Franken behandelt wurde, obwohl die Versicherung anstandslos den höheren Satz vergütet, führt dann zur Folgefrage: «Was sagen Sie zur Kritik, dass das tief defizitäre Unispital nicht genug abrechnet und somit die Steuerzahler über Gebühr belastet?»
Der «K-Tipp» lehnte eine Stellungnahme dazu offenbar ab.
Frühere Entlassung
Im Hintergrund dieser Differenzen steht, dass die Tarifposition 7311 in den letzten Jahren zunehmend häufig abgerechnet wurde. Dies weckte den Verdacht der Krankenkassen und der Journalisten. Allerdings lieferte Florian Kurz von Physioswiss dazu jüngst auf Medinside
eine Erklärung: Nach wie vor werde vor allem die Tarifposition 7301 verrechnet – auch wenn der (teurere) Posten 7311 in den letzten Jahren tatsächlich häufiger auftauchte: So war es im Jahr 2021 bei rund einem Viertel aller Behandlungen gewesen, im letzten Jahr schon bei rund einem Drittel.
Doch es gebe eine Erklärung für die Zunahme der 7311-Position, so der Physioswiss-Sprecher: Der Bundesrat hatte sie 2017 inhaltlich angepasst. Dabei kam anderem die Behandlung von Kindern, Krebs-Patienten oder von Personen in palliativen Situationen hinzu. Ausserdem führe die immer frühere Entlassung aus den Spitälern dazu, dass die Physiotherapie-Praxen mehr komplexe Behandlungen durchführen.
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