Es beginnt mit einer einzigen Bewertung. «Unmenschliche Behandlung – nie wieder!», dazu ein Ein-Sterne-Rating auf Google. Ein potenzieller Patient liest den Eintrag und entscheidet sich gegen einen Termin in der Praxis.
In den kommenden Tagen häufen sich ähnliche Kommentare. Die betroffene Arztpraxis stellt sich die Frage: Wer steckt dahinter? Ein unzufriedener Patient? Ein ehemaliger Angestellter? Ein Konkurrent?
Fake-Bewertungen können den Ruf von Ärzten und Gesundheitseinrichtungen massiv schädigen: «Drei von vier Personen lesen Online-Bewertungen, bevor sie eine Entscheidung treffen», sagt die Zürcher Rechtsanwältin Sandra Hanhart.
«Jede Gesundheitseinrichtung, die auf Google Maps registriert ist, kann automatisch bewertet werden – egal ob die Rezension der Wahrheit entspricht oder nicht.»
Doch wie häufig kommt das Problem tatsächlich vor – und wie schwierig ist es, sich dagegen zu wehren? «Konkrete Zahlen zur Verbreitung von Fake-Bewertungen im Gesundheitswesen gibt es nicht», so Hanhart. Doch dass das Problem existiert, ist unbestritten.
Der Dachverband Gastrosuisse führte 2024 eine Umfrage durch und stellte fest, dass 80 Prozent aller Betriebe in der Gastronomie bereits von gefälschten Bewertungen betroffen waren.
Sandra Hanhart
Rechtsanwältin in der Kanzlei Hanhart LawIhre Schwerpunkte liegen im Medien-, Immaterialgüter, IT- und Datenschutzrecht. Sie vertritt FAKE*away, einen Verbund von Medienanwälten, die auf die Beseitigung von unzulässigen Online- Bewertungen spezialisiert sind, in der Schweiz.
Jede Gesundheitseinrichtung ist automatisch potenzielles Ziel von Bewertungen, sobald sie sich etwa auf Google Maps registriert. Die Jobbewertungs-Plattform Kununu ist insbesondere für grösseren Gesundheitseinrichtungen relevant. Trustpilot ist eine weitere Plattform, auf der von der Physiotherapie bis zur Zahnchirurgie verschiedenste Anbieter im Gesundheitswesen bewertet werden.
Bei fast allen Bewertungsportalen besteht keine Möglichkeit, die Bewertbarkeit zu deaktivieren.
Einer der Hauptgründe für Fake-Bewertungen ist die fehlende Identitätsprüfung auf den Plattformen. «Bewertungen können anonym oder mit einem Pseudonym abgegeben werden. Bewertungsplattformen überprüfen die Identität in der Regel nicht», erklärt Hanhart.
«Eine Klinik wurde in einer Bewertung beschuldigt, durch eine falsche Therapie für den Tod eines zweieinhalb Jahre alten Kindes verantwortlich zu sein. Tatsächlich hatte die Behandlung in der Klinik nichts mit dem Todesfall zu tun.»
Das Missbrauchspotenzial sei enorm: «Es können ehemalige Mitarbeitende sein, die sich rächen wollen, Konkurrenten, die gezielt schaden, oder sogar Kriminelle, die Geld für das Entfernen von negativen Bewertungen verlangen.»
In Deutschland gibt es bereits klare rechtliche Vorgaben: Dort sind Plattformen nach einem konkreten Hinweis verpflichtet, unverzüglich ein Prüfverfahren einzuleiten und den Wahrheitsbeweis für eine Bewertung zu erbringen. Könne dies nicht geschehen, muss sie gelöscht werden, erklärt Hanhart. «In der Schweiz gibt es noch wenige Gerichtsentscheide zu diesem Thema, doch die rechtliche Lage ist ähnlich». Demnach haften – laut Zivilgesetzbuch – Plattformen für rechtswidrige Bewertungen spätestens dann, wenn sie nach einer Meldung nicht gelöscht werden.
Existenzbedrohend
Fake-Bewertungen haben nicht nur Auswirkungen auf das Vertrauen von Patienten, sondern auch auf die Reputation gegenüber Fachkollegen und potenziellen Mitarbeitenden.
Ein besonders krasser Fall zeigt, wie existenzbedrohend falsche Anschuldigungen sein können: «Eine Klinik wurde in mehreren Bewertungen beschuldigt, durch eine falsche Therapie für den Tod eines zweieinhalb Jahre alten Kindes verantwortlich zu sein. Tatsächlich hatte die Behandlung in der Klinik nichts mit dem Todesfall zu tun und es bestand nicht einmal ein entsprechender Patientenkontakt», erzählt Hanhart. Trotzdem blieb die Rezension zunächst online und verbreitete sich weiter. Erst nachdem das zuständige Gericht eine entsprechende Verfügung gegen die Plattform erlassen hat, löschte diese die Bewertungen.
Löschung
Das Entfernen gefälschter Bewertungen ist oft schwieriger, als viele denken. «Wenn eine Meldung von Anfang an professionell verfasst ist und begründet wird, inwiefern eine Rechtsverletzung vorliegt, kann eine endgültige Löschung sehr oft sehr kurzfristig erreicht werden», sagt Hanhart.
Die Erfolgsaussichten in einem Verfahren vor Schweizer Gerichten hängen vom konkreten Fall ab. Grundsätzlich gilt: Wenn die Fakten in der Bewertung falsch oder irreführend sind, sind die Chancen für eine Löschung in einem Gerichtsverfahren in der Regel gut.
Was Ärzte und Kliniken tun können
Die wichtigste Erkenntnis für Betroffene: Niemand muss Fake-Bewertungen einfach hinnehmen.
- «Plattformen sind gesetzlich verpflichtet, unwahre Tatsachenbehauptungen zu löschen – aber sie tun es oft erst auf Druck», betont Hanhart.
- Daher sei es entscheidend, frühzeitig zu handeln. Gesundheitseinrichtungen sollten Online-Bewertungen regelmässig überwachen und auf falsche Einträge schnell reagieren.
- Zudem rät die Rechtsanwälting, sich bei rechtlichen Fragen professionelle Unterstützung zu holen: «Wer eine gefälschte Bewertung löscht, verhindert oft grössere Schäden. Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die aktiv dagegen vorgehen, langfristig besser geschützt sind.»
FAKE*away ist ein Zusammenschluss von spezialisierten Rechtsanwälten, die sich bereits seit fünf Jahren für die Entfernung von Fake-Bewertungen in Deutschland einsetzen. Nun expandiert das Netzwerk auch in die Schweiz und nach Österreich.