Versicherer fordern weniger Datenschutz

Den Versicherern sind bei der Nutzung ihrer Patientendaten bislang die Hände gebunden. Dies soll ein neuer Gesetzesvorschlag nun ändern.

, 15. September 2023 um 07:29
image
Versicherer sammeln massenhaft Gesundheitsdaten ihrer Kunden – und können diese kaum nutzen. | Unsplash
«Helsana-Chef Roman Sonderegger fordert den gläsernen Versicherungskunden», titelte der «Blick» diese Woche. Tatsache ist: viele Krankenversicherer verfügen über massenhaft Gesundheitsdaten ihrer Versicherten, die bislang nicht oder nur ungenügend genutzt werden dürfen.

Weiterverwendung von Daten rechtlich kaum möglich

Dies liegt unter anderem daran, dass die Weiterverwendung von gesundheitsbezogenen und deshalb besonders schützenswerten Personendaten heute aus rechtlichen, aber auch aus strukturellen Gründen anspruchsvoll bis unmöglich ist. Ein neuer Gesetzesvorschlag soll dies nun ändern.«Den Krankenversicherer könnte unter neuem Recht erlaubt werden, Leistungsdaten der Versicherten zu bearbeiten, um darauf basierend präventiv oder reaktiv auf die Behandlungsqualität beratend Einfluss zu nehmen», sagt der Rechtsanwalt Daniel Staffelbach.

Individuelle Information

Bedeutet: Die Krankenkassen sollen ihre Kunden in Zukunft «individuell informieren» können. Und zwar über deren bezogene Leistungen, über Massnahmen zur Verhütung von Krankheiten und über Angebote, die auf eine verbesserte Wirtschaftlichkeit und Koordination der medizinischen Leistungserbringung abzielen. Ebenfalls sollen sie mit dem Einverständnis der Versicherten auch die Ärzte über die von den Versicherten bezogenen Leistungen informieren können.

Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung

Dabei bestünde hier Potential, um konkrete Verbesserungen in der medizinischen Versorgung anzustossen. Denn: «Krankenkassen verfügen über qualitativ bessere Daten, als dies i.d.R. auf Leistungserbringer zutrifft, zumal beim Krankenversicherer Daten mehrerer Leistungserbringer und über die Dauer von Jahren zusammenlaufen können», sagt Staffelbach. So könne mit den Krankenkassendaten etwa nachvollzogen werden, wie Arzneimittel wirken, wie sich Krankheiten entwickeln oder auch, wie gut bestimmte Kliniken und Arztpraxen ihre Patienten behandeln. Laut dem Helsana Chef würden die derzeit vorherrschenden regulatorischen Bestimmungen und die mangelnde Transparenz den Qualitätswettbewerb zwischen den verschiedenen Spitälern, Praxen oder Therapeuten hindern.

Zugang zu Daten - mehr Wissen

Mit dem Wissen aus den Daten könnten Krankenkassen zukünftig ihre Kunden auf sinnvolle Behandlungen aufmerksam machen oder warnen, wenn sie etwa ein Medikament zu oft beziehen. Es könnte aber auch geklärt werden, weshalb etwa die Ausgaben der Krankenkassen in den letzten Lebensmonaten in der Romandie höher sind als in der Deutschschweiz. Vermutet wird, dass Patienten in den welschen Kantonen länger und wiederholt im Spital behandelt werden, bevor sie in ein Pflegeheim gehen. Das wäre für die Allgemeinheit zwar teurer, finanziell für die Patienten aber von Vorteil. Ob diese These allerdings stimmt, kann nicht überprüft werden – zugängliche Daten dazu fehlen.

Keine Kosteneinsparung zum Selbstzweck

Auf die Initiative von Nationalrat Andri Silberschmidt hat die vorberatende parlamentarische Gesundheitskommission jüngst einen entsprechenden Vorschlag ins zweite, vom Bundesrat aufgegleiste Massnahmenpaket zur Kostensenkung im Gesundheitswesen eingebaut. Sollte der Vorschlag gutgeheissen werden, gibt Daniel Staffelbach allerdings auch zu bedenken: «Die Aufsichtsbehörden werden sicherstellen müssen, dass die Krankenversicherer neue Möglichkeiten der Datenbearbeitung nur zugunsten der Gesundheitsverbesserung der Versicherten verwenden und nicht, um Kosten als Selbstzweck einzusparen.»

 

Revison KVG: Antrag zur Anpassung von Art. 56 und 84 KVG – Versicherteninformation durch den Grundversicherer (Wird vom Nationalrat in der Herbstsession 2023 beraten)
Art. 56 soll durch einen neuen Absatz ergänzt werden: Zur Sicherstellung der Massnahmen können die Versicherer die bei ihnen versicherten Personen individuell informieren über deren bezogene Leistungen, über Massnahmen zur Verhütung von Krankheiten und über Angebote, die auf eine verbesserte Wirtschaftlichkeit und Koordination der medizinischen Leistungserbringung abzielen, sowie mit deren Einverständnis den Leistungserbringern Informationen über die von den Versicherten bezogenen Leistungen zur Verfügung stellen.
Entsprechend soll auch Art. 84 KVG (Bearbeiten von Personendaten) ergänzt werden («Die mit der Durchführung, der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung dieses Gesetzes oder des KVAG betrauten Organe sind befugt, die Personendaten, einschliesslich besonders schützenswerter Daten und Persönlichkeitsprofile, zu bearbeiten oder bearbeiten zu lassen, die sie benötigen, um die ihnen nach diesem Gesetz oder nach dem KVAG übertragenen Aufgaben zu erfüllen, namentlich um: […]»)

  • datenschutz
  • versicherer
  • patientendaten
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

CSS fahndet nach Missbrauch und spart damit 38 Millionen Franken

Die CSS fällt immer wieder auf, wenn es um die Aufdeckung von Betrugsversuchen bei Krankenversicherungen geht.

image

Verzögerte Kostengutsprachen und ihre Folgekosten

Eine Studie zeigt, wie die Krankenkassen die Gesuche für eine Brustverkleinerung bearbeiten. Fast die Hälfte der Patientinnen musste mehrere Anträge stellen – mit Zusatzkosten von durchschnittlich 2400 Franken.

image

Ehemaliger Sympany-CEO an der Spitze von Eskamed

Michael Willer hat die Leitung von Eskamed übernommen. Das Basler Unternehmen hat sich auf die Qualitätssicherung in der Komplementär- und Präventivmedizin spezialisiert.

image
Gastbeitrag von Guido Schommer

Aufsichts-Populismus: Wer schützt die Versicherten vor der Finma?

Die Aufsichtsbehörde will den Zusatzversicherungsmarkt noch mehr regulieren. Den Versicherten hilft das nicht, im Gegenteil: Spitäler geraten unter Druck, die Spitalwahl wird eingeschränkt, die Versorgung leidet.

image

«Nur in Genf und der Waadt haben wir noch Probleme»

Die Finma genehmigt keine neuen Produkte der Krankenzusatzversicherer, solange nicht alle Transparenzanforderungen erfüllt sind – und solange sich die Ärztegesellschaften am Genfersee querstellen.

image

Prio.Swiss hält gar nichts von höheren Senioren-Prämien

Keine Abkehr vom Solidaritätsprinzip: Der neue Krankenkassenverband findet höhere Prämien für alte Menschen ungerecht – und eine unnötige Verkomplizierung.

Vom gleichen Autor

image

«Pflege? Das ist doch ein Frauenberuf.»

Die Verwunderung ist oft gross, wenn Christos Bempos erzählt, dass er Pflegefachmann ist. An den gängigen Vorurteilen müsse sich dringend etwas ändern.

image

Zürich hat einen neuen Kantonsapotheker

Simon Kleeb wird neuer Chef der Heilmittelkontrolle und Kantonsapotheker. Derzeit ist er noch am Inselspital tätig.

image

LUKS: Co-Chefarzt neu im Expertengremium von Swissmedic

Christian Kamm, Neurologe und Co-Chefarzt am Luzerner Kantonsspital, verstärkt das Expertengremium für Humanarzneimittel bei Swissmedic.