In Bern präsentierte die Unia Vertreterinnen und Vertreter der Langzeitpflege ein Manifest, das faire Arbeitsbedingungen genauso sichern will wie die Würde der älteren Menschen, die diese Pflege erhalten.
«Es ist ein Manifest, um würdevolle Lösungen für die Krise in der Langzeitpflege zu finden», betont die Gewerkschaft
in der Mitteilung dazu. Sie prangert eine Organisation an, die sowohl für die Patienten als auch für die Pflegekräfte abwertend sei ist, und ruft zu einer Kampagne zur Mobilisierung auf. «Die Langzeitpflege befindet sich aufgrund der ineffizienten und gefährlichen Standardisierung der Care-Arbeit auf dem Holzweg», warnt das Dokument: «Die Reformen nach dem New Public Management laufen der Care-Logik zuwider, die die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt stellt und von den Pflegenden und Gepflegten befürwortet wird.»
Eine strukturelle Krise
Speziell im Fokus ist der notorische Zeitmangel. «Trotz der Annahme der Volksinitiative für eine starke Pflege sind wir, das Pflegepersonal, immer noch mit denselben Problemen konfrontiert», heisst es in dem Manifest. Das Ziel ist klar: eine aktive Rolle des Personals bei Entscheidungen über die Organisation der Langzeitpflege – nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch auf kantonaler und eidgenössischer Ebene.
Insgesamt drängt die Unia dabei auch auf mehr Staat in der Langzeitpflege. «Durch die Reformen, die die Langzeitpflege künstlich in drei Bereiche mit unterschiedlichen Finanzierungsquellen (Hotellerie, medizinische Pflege, Betreuung) geteilt haben, und die Förderung des privaten Sektors stiehlt sich der Staat aus seiner Verantwortung für die Bewältigung der Care-Krise», wird beispielsweise kritisiert. Und weiter: «Eine Ökonomisierung der Pflege im Sinne einer Unterordnung ihres sozialen und gemeinschaftlichen Auftrags zugunsten einer Profitlogik lehnen wir ab.»
Denn solche Entscheidungen würden sich letztendlich auf die Patienten selbst auswirken, da die Zeit für sie drastisch reduziert wird. «Zeit und Beziehungen sind entscheidend. Vertrauen ist für die Qualität der Pflege unerlässlich und muss durch Respekt und Geduld aufgebaut werden: Wer möchte schon von einer unbekannten Person gewaschen werden», so die Pflegenden. Sie plädieren für die Anerkennung aller Dimensionen der Pflege, einschliesslich der psychosozialen Betreuung.
«Die Begleitung eines Menschen, der sich zwar selbständig, aber nur mit Mühe fortbewegen kann, ist zeitaufwendig», so ein Beispiel dazu: «Aber diese Fähigkeit zu erhalten und nach Möglichkeit zu fördern, ist ein wesentliches Element von Würde. Diesen Menschen in einen Rollstuhl zu setzen, weil es dann schneller geht, ist hingegen eine Verletzung seiner Würde.»
Konkrete Forderungen
Das Unia-Manifest – respektive das dort zitierten Pflegepersonal – weist auch auf eine paradoxe Situation hin: «Wenn wir uns die Zeit nehmen, die gute Pflege und Betreuung brauchen, laufen wir Gefahr, dafür bestraft zu werden. Man wirft uns dann vor, (zu) langsam oder 'ineffizient' zu sein.»
Um die Krise der Langzeitpflegezu bewältigen, werden dann mehrere Lösungen vorgeschlagen: gemeinsame Gestaltung der Arbeit, bessere Personalausstattung für kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne und mehr berufliche Stabilität.
«Es reicht nicht aus, den Angestellten zu befehlen, selbstständig zu sein», heisst es im Dokument, das auch Massnahmen gegen Burnout fordert. Den Unterzeichnern zufolge werden technische oder digitale Lösungen nicht genügen, um die aktuellen Probleme zu lösen.
In den kommenden Wochen plant die Unia Gespräche mit diversen Organisationen, um «Vorschläge zu entwickeln und einen kollektiven Prozess anzustossen, der den Herausforderungen der Branche gerecht wird». Für den 13. September ist ein nationales Symposium über den Zustand der Langzeitpflege geplant.