Studie: Mehr Telemedizin = weniger unnötige Tests

Digitale Konsultationen bewegen Ärzte womöglich zu einer selektiveren Diagnostik: Wo es mehr Telemedizin gibt, kommen gewisse Routinetests seltener zum Einsatz. Dies besagen neue US-Daten.

, 5. März 2025 um 06:06
letzte Aktualisierung: 16. Mai 2025 um 04:49
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Symbolbild: Medinside (KI, gemacht mit Midjourney).
Telemedizin verändert nicht nur den Zugang zur medizinischen Versorgung, sondern wohl auch den Umgang mit Diagnostik: Jedenfalls besagt eine aktuelle Studie, dass Spitäler und Praxen mit hoher Telemedizin-Nutzung seltener Low-Value-Tests durchführen – also Untersuchungen mit begrenztem Nutzen.
Erarbeitet wurde die Studie von Medizinern des Brigham and Women's Hospital in Boston: Ein Team um die Internistin Ishani Ganguli untersuchte Korrelationen zwischen Telemedizin-Nutzung diversen Diagnose-Untersuchungen. Dafür wertete es Daten von über 2 Millionen Patienten des amerikanischen Medicare-Systems aus – respektive von 286 Gesundheitsorganisatione. Es prüfte dabei den Einsatz von zwanzig verschiedenen Untersuchungen, beispielsweise von Zervikalabstrichen, Screening-EKGs, Metabolic Panels, Trijodthyronin-Tests oder von Bildgebung bei leichteren Rückenschmerzen.
  • Ishani Ganguli, Christopher Lim, Nicholas Daley, et al.: «Telemedicine Adoption and Low-Value Care Use and Spending Among Fee-for-Service Medicare Beneficiaries», in: «JAMA Internal Medicine», Februar 2025.
  • doi: 10.1001/jamainternmed.2024.8354
Es zeigte sich, dass Spitäler, Praxen und Organisationen mit einem höheren Telemedizin-Einsatz tendenziell weniger Tests durchführen liessen. Oder genauer: Bei 7 der 20 möglichen Untersuchungen stellten die Forscher einen signifikant tieferen Wert fest. Für die anderen 13 Low-Value-Tests gab es keine belastbaren Abweichungen.
Natürlich leuchtet dies irgendwie ein: Insbesondere Untersuchungen, die üblicherwesie direkt in der Praxis durchgeführt werden, kamen seltener zum Einsatz. Denkbar aber auch – so eine Interpretation der Autoren –, dass Telemedizin-Ärzte ohnehin dazu neigen, selektiver vorzugehen: Sie ordnen nicht so «reflexartig» Routinetests an.

Die Kostenröhren-Frage

Unterm Strich ergab sich ein Ergebnis, das günstiger war – zumindest rein aus der Perspektive des Aufwands beziehungsweise aus «Kostenröhren»-Sicht. Gesundheitssysteme, die intensiver mit Telemedizin arbeiteten, hatten insgesamt mehr Konsultationen, und zwar sowohl physisch als auch virtuell. Dabei kam es jedoch nicht zu einer vermehrten Nutzung ineffektiver Untersuchungen.
Diese Erkenntnis widerspricht zumindest teilweise der gelegentlich geäusserten Sorge, dass Telemedizin letztlich auch zu mehr (zweifelhafter) Diagnostik führen könnte. Eher deutet sich nun an, dass Telemedizin helfen kann, ineffektive Untersuchungen zu reduzieren, ohne die Versorgung zu verschlechtern. Oder wie es Lead-Autorin Ishani Ganguli formuliert: «Diese Ergebnisse geben den Entscheidungsträgern die Gewissheit, dass eine Ausweitung der Telemedizin-Abdeckung Vorteile mit sich bringen kann – etwa eine geringere Nutzung sowie tiefere Ausgaben für eine Reihe von Tests mit wenig Nutzen.»
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