Telemedizin verändert nicht nur den Zugang zur medizinischen Versorgung, sondern wohl auch den Umgang mit Diagnostik: Jedenfalls besagt eine aktuelle Studie, dass Spitäler und Praxen mit hoher Telemedizin-Nutzung seltener Low-Value-Tests durchführen – also Untersuchungen mit begrenztem Nutzen.
Erarbeitet wurde die Studie von Medizinern des Brigham and Women's Hospital in Boston: Ein Team um die Internistin Ishani Ganguli untersuchte Korrelationen zwischen Telemedizin-Nutzung diversen Diagnose-Untersuchungen. Dafür wertete es Daten von über 2 Millionen Patienten des amerikanischen Medicare-Systems aus – respektive von 286 Gesundheitsorganisatione. Es prüfte dabei den Einsatz von zwanzig verschiedenen Untersuchungen, beispielsweise von Zervikalabstrichen, Screening-EKGs, Metabolic Panels, Trijodthyronin-Tests oder von Bildgebung bei leichteren Rückenschmerzen.
Es zeigte sich, dass Spitäler, Praxen und Organisationen mit einem höheren Telemedizin-Einsatz tendenziell weniger Tests durchführen liessen. Oder genauer: Bei 7 der 20 möglichen Untersuchungen stellten die Forscher einen signifikant tieferen Wert fest. Für die anderen 13 Low-Value-Tests gab es keine belastbaren Abweichungen.
Natürlich leuchtet dies irgendwie ein: Insbesondere Untersuchungen, die üblicherwesie direkt in der Praxis durchgeführt werden, kamen seltener zum Einsatz. Denkbar aber auch – so eine Interpretation der Autoren –, dass Telemedizin-Ärzte ohnehin dazu neigen, selektiver vorzugehen: Sie ordnen nicht so «reflexartig» Routinetests an.
Die Kostenröhren-Frage
Unterm Strich ergab sich ein Ergebnis, das günstiger war – zumindest rein aus der Perspektive des Aufwands beziehungsweise aus «Kostenröhren»-Sicht. Gesundheitssysteme, die intensiver mit Telemedizin arbeiteten, hatten insgesamt mehr Konsultationen, und zwar sowohl physisch als auch virtuell. Dabei kam es jedoch nicht zu einer vermehrten Nutzung ineffektiver Untersuchungen.
Diese Erkenntnis widerspricht zumindest teilweise der gelegentlich geäusserten Sorge, dass Telemedizin letztlich auch zu mehr (zweifelhafter) Diagnostik führen könnte. Eher deutet sich nun an, dass Telemedizin helfen kann, ineffektive Untersuchungen zu reduzieren, ohne die Versorgung zu verschlechtern. Oder wie es Lead-Autorin
Ishani Ganguli formuliert: «Diese Ergebnisse geben den Entscheidungsträgern die Gewissheit, dass eine Ausweitung der Telemedizin-Abdeckung Vorteile mit sich bringen kann – etwa eine geringere Nutzung sowie tiefere Ausgaben für eine Reihe von Tests mit wenig Nutzen.»