Ärzteeinkommen: Warum der Bund die Erhebung der FMH stoppte

Zwischen der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt es Ungereimtheiten: Grund ist die im Jahr 2013 plötzlich abgebrochene Veröffentlichung der Daten zu den Ärzteeinkommen.

, 26. Oktober 2018 um 09:00
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Das politische und öffentliche Interesse an den Einkommen der Ärzteschaft nimmt mehr und mehr zu. Und somit auch der Druck, hier wieder Transparenz zu schaffen. Bis 2013 publizierte die Verbindung der Schweizer Ärzte FMH jeweils jährlich eine Studie, erarbeitet vom Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien Bass. Offenbar untersagte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) der grössten Ärzteorganisation dann, die Daten weiterhin zu veröffentlichen. Im Zusammenhang mit den am Mittwoch publizierten neuen Finanzdaten zu den Praxen haben wir über den Hintergrund berichtet, warum die FMH die Einkommen nicht mehr veröffentlichen darf.
Als Begründung haben wir einen Artikel von Christoph Bosshard herangezogen, der diesen 2013 in der «Schweizerischen Ärztezeitung» publizierte. Dort steht unter anderem, es bestehe laut dem BAG «kein überwiegend öffentliches Interesse an der Datenbekanntgabe». Im Frühling hatte Medinside beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) indes mehr Details über diese Gründe in Erfahrung bringen wollen: Eine Anfrage blieb bis heute unbeantwortet. Auch wir wollen einen Beitrag zu mehr Transparenz leisten. Denn die letzte Erhebung der Ärzteeinkommen geht Jahre zurück. Als Basis dienten damals Daten der Ausgleichskasse Medisuisse, bei der rund zwei Drittel aller selbständig erwerbstätigen Ärzte versichert sind.

Teilzeittätigkeit als Problem? Stichprobe zu klein?

Jetzt meldet sich das BAG nach der Veröffentlichung der neusten Zahlen am Mittwoch bei Medinside und schreibt: «Die Gründe, weshalb die Studie damals unterbrochen wurde, waren in keiner Weise ein mangelndes Interesse des BSV oder BAG an der Datenbekanntgabe». Die Hauptgründe waren: Die zunehmende Teilzeittätigkeit wurde nicht als Vollzeitäquivalent berücksichtigt, wie das BAG schreibt. Und die Stichprobe aus nur einer Ausgleichskasse (Medisuisse) sei zu klein gewesen. Beides führt laut dem Bundesamt letztlich zu einer verzerrten Darstellung der effektiven Einkommenssituation.
Konfrontiert mit dieser Aussage teilt uns die FMH mit, dass sie anfangs 2013 beim BSV die Anfrage für die Weiterführung der Einkommensstudie gestellt hatte. In diesem Schreiben wurde erwähnt, dass die Ärzteorganisation die Studie aufgrund des öffentlichen Interesses weiterführen wolle, sagt FMH-Vizepräsident Christoph Bosshard. Auch ersuchte die FMH das BSV die Daten von der Ausgleichskasse Medisuisse weiterhin beziehen zu dürfen. Doch das Bundesamt für Sozialversicherungen habe das Gesuch nicht genehmigt, so Bosshard. Die Begründung gegenüber der Ärzteorganisation lautete damals: Die AHV-Daten seien für den beabsichtigten Verwendungszweck nicht geeignet und entsprechend bestehe kein überwiegendes Interesse an der Datenbekanntgabe.
Die FMH nimmt gegenüber Medinside auch Stellung zur Aussage bezüglich der Teilzeittätigkeit als einer der Hauptgründe für den Unterbruch. Auch diese Argumentation ist aus Sicht der FMH nicht korrekt: «In der publizierten Einkommensstudie von 2012 ist das Teilzeitpensum und entsprechend die Vollzeitäquivalent berücksichtigt worden.» Wie im Vorjahr konnten laut Bosshard für die Ärzte und Ärztinnen mit Angaben zum Arbeitspensum zusätzlich die auf Vollzeit standardisierten Einkommen analysiert werden.

Folgte die FMH der Einladung vom BAG?

Das Bundesamt für Gesundheit teilt Medinside darüber hinaus mit, die FMH «zeigte damals kein Interesse, gestützt auf eine bessere Datenbasis – sprich Zugang zu allen AHV-Ausgleichskassen – eine neu konzipierte Studie zu den Ärzteeinkommen zu erstellen.» Eine Einladung, sich aktiv an der vom BAG initiierten Weiterführung der Bass-Studie zu beteiligen, wurde von der FMH gemäss dem Departement des Innern abgelehnt. 
Auch hier will die FMH diese Aussage so nicht stehen lassen: Es fanden 2015 Gespräche zwischen dem BAG und der Ärzteorganisation bezüglich der neu konzipierten Studie statt. Die FMH habe die Machbarkeitsstudie und das Konzept im Detail studiert und sei zum Schluss gekommen: Die vom Bundesamt für Sozialversicherungen angebrachten Mängel in der Neukonzipierung konnten methodisch und inhaltlich nicht verbessert werden. Denn die Datengrundlage bei der neu geplanten Studie beziehen sich der FMH zufolge wiederum auf die Medisuisse-Daten, welche der Ärzteverbindung nicht mehr zur Verfügung gestellt worden sind.
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