VPM-Ideen in der Ethikkommission für Humanmedizin?

Eine Oberärztin am Kantonsspital St. Gallen ist Mitglied der nationalen Medizin-Ethikkommission – und liess sich früher beim «Verein zur Förderung Psychologischen Menschenkenntnis» ausbilden.

, 24. Juli 2016 um 21:19
image
  • kantonsspital st. gallen
  • ethik
  • politik
  • palliativmedizin
Der so genannte «Verein zur Förderung Psychologischen Menschenkenntnis» sorgte in den späten Achtziger- und in den Neunzigerjahren immer wieder mal für Wirbel. Die Organisation, hervorgegangen aus der Psychotherapieschule von Friedrich Liebling, versuchte (möglichst versteckt) wichtige Positionen in akademischen und schulischen Institutionen zu erringen. Derweil wurde sie von Gegnern als Sekte eingestuft; und der Berufsverband der deutschen Psychologen sprach von einem «Psychokult».
Offiziell ist der VPM seit 14 Jahren aufgelöst, aber die Frage blieb im Raum, ob das nicht nur Taktik sei und ob das Gedankengut der Organisation einfach in neuen Institutionen weiterverbreitet werden solle – wiederum möglichst versteckt.

«Aktive Patiententötung»

Die «NZZ am Sonntag» (Print, siehe aber hier) greift nun einen Fall auf, der in dieses Muster passen könnte. Es geht um die Hippokratische Gesellschaft, die primär gegründet wurde, um sich der «aktiven Patiententötung» entgegenzusetzen, also der Sterbehilfe. 
«Von der Öffentlichkeit unbemerkt, hat es die Hippokratische Gesellschaft Schweiz (HGS) geschafft: Mit Karen Nestor sitzt ein eigenes Mitglied in der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin», so nun die «NZZ am Sonntag».

Gleiche Leute, gleiche Ziele

Dies sei deshalb bemerkenswert, weil die Gesellschaft von Sektenexperten als eine der Nachfolgeorganisationen des VPM eingestuft werde. «Dort treffen sich noch heute die gleichen Leute, die mit den gleichen Methoden die gleichen Ziele verfolgen», wird beispielsweise der Sektenexperte Hugo Stamm zitiert.
Karen Nestor, bereits seit längerem Mitglied der Ethikkommission, ist nicht nur in der Hippokratischen Gesellschaft, sondern deklariert ihre VPM-Vergangenheit auch ganz offen. Im CV, der auf der Kommissionsseite publiziert wurde, hält sie fest: «Studienbegleitend und post graduate psychologische Fortbildung bei Frau Dr. A. Buchholz-Kaiser und im Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis, Zürich». 

«Kein Thema mehr»

Hautpberuflich arbeitet Nestor als Oberärztin am Palliativzentrum des Kantonsspitals St. Gallen. Auf die Frage der NZZaS, wie sie den VPM heute beurteile, schrieb Nestor: «Das ist seit der Auflösung des Vereins kein Thema mehr.»
Die Präsidentin der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin stellt sich hinter die Palliativmedizinerin: Diese sei ein vom Bundesrat gewähltes und somit genauso legitimes Mitglied wie alle anderen, so Andrea Büchler. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Bundesrat: Mehr Massnahmen gegen ärztliche Gefälligkeitszeugnisse unnötig

«Ein Generalverdacht gegenüber der Ärzteschaft wäre verfehlt», findet der Bundesrat. Er will nicht intensiver gegen falsche Arztzeugnisse vorgehen.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Eingebildete Explosionen und teure Luftschlösser

Jedes Jahr gibt es dieselbe Diskussion über steigende Gesundheitskosten. Und jedes Jahr die gleichen Rezepte: Einheitskasse, mehr Staat, Pauschalbudgets. Diesmal alles auch in Buchform.

image

Spitallisten: Druck auf Kantone nimmt zu

Wie der Ständerat macht auch der Nationalrat Druck, damit die Kantone die Spitalplanung und die Leistungsaufträge aufeinander abstimmen.

image

Medikamente: Nationalrat lehnt einfachere Zulassung ab

Im Unterschied zum Ständerat will der Nationalrat nichts wissen von einer erleichterten Einfuhr patentabgelaufener Medikamente.

image

Ärzte aus der EU: Hier droht ein Regelkonflikt

Darf die Schweiz von EU-Ärzten auch in Zukunft noch Sprachkenntnisse und Erfahrung verlangen? Die SVP will dazu Antworten vom Bundesrat.

image

Gesundheitsverbände bauen politischen Druck auf

Mit einer Grossdemonstration machen Berufsverbände und Gewerkschaften im November ihre Forderungen sichtbar. Sie pochen auf mehr Personal und eine solidere Finanzierung von dessen Ansprüchen.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.