Der so genannte «Verein zur Förderung Psychologischen Menschenkenntnis» sorgte in den späten Achtziger- und in den Neunzigerjahren immer wieder mal für Wirbel. Die Organisation, hervorgegangen aus der Psychotherapieschule von Friedrich Liebling, versuchte (möglichst versteckt) wichtige Positionen in akademischen und schulischen Institutionen zu erringen. Derweil wurde sie von Gegnern als Sekte eingestuft; und der Berufsverband der deutschen Psychologen sprach von einem «Psychokult».
Offiziell ist der VPM seit 14 Jahren aufgelöst, aber die Frage blieb im Raum, ob das nicht nur Taktik sei und ob das Gedankengut der Organisation einfach in neuen Institutionen weiterverbreitet werden solle – wiederum möglichst versteckt.
«Aktive Patiententötung»
Die
«NZZ am Sonntag» (Print, siehe aber hier) greift nun einen Fall auf, der in dieses Muster passen könnte. Es geht um die
Hippokratische Gesellschaft, die primär gegründet wurde, um sich der «aktiven Patiententötung» entgegenzusetzen, also der Sterbehilfe.
«Von der Öffentlichkeit unbemerkt, hat es die Hippokratische Gesellschaft Schweiz (HGS) geschafft: Mit Karen Nestor sitzt ein eigenes Mitglied in der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin», so nun die «NZZ am Sonntag».
Gleiche Leute, gleiche Ziele
Dies sei deshalb bemerkenswert, weil die Gesellschaft von Sektenexperten als eine der Nachfolgeorganisationen des VPM eingestuft werde. «Dort treffen sich noch heute die gleichen Leute, die mit den gleichen Methoden die gleichen Ziele verfolgen», wird beispielsweise der Sektenexperte Hugo Stamm zitiert.
Karen Nestor, bereits seit längerem Mitglied der Ethikkommission, ist nicht nur in der Hippokratischen Gesellschaft, sondern deklariert ihre VPM-Vergangenheit auch ganz offen. Im CV, der auf der
Kommissionsseite publiziert wurde, hält sie fest: «Studienbegleitend und post graduate psychologische Fortbildung bei Frau Dr. A. Buchholz-Kaiser und im Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis, Zürich».
«Kein Thema mehr»
Hautpberuflich arbeitet Nestor als Oberärztin am Palliativzentrum des Kantonsspitals St. Gallen. Auf die Frage der NZZaS, wie sie den VPM heute beurteile, schrieb Nestor: «Das ist seit der Auflösung des Vereins kein Thema mehr.»
Die Präsidentin der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin stellt sich hinter die Palliativmedizinerin: Diese sei ein vom Bundesrat gewähltes und somit genauso legitimes Mitglied wie alle anderen, so Andrea Büchler.