Für viele Medizinerinnen und Mediziner ist klar: Obduktionen sind wichtig für die Qualitätssicherung. Gleichwohl nimmt die Zahl der Leichenöffnungen in der Schweiz stark ab. Am Zürcher Universitätsspital (USZ) hat die effektive Zahl beispielsweise innert 25 Jahren um rund 75 Prozent abgenommen, wie die «Zürichsee-Zeitung» am Montag berichtet. Die Zahl der Obduktionen sank von 1100 im Jahr 1993 auf 264 im Jahr 2018.
Massiver Rückgang
Andere Spitäler verzeichnen einen noch grösseren Rückgang. Betrug die Obduktionsrate am Stadtspital Triemli im Jahr 2000 noch 65 Prozent, beträgt sie heute nur noch 3,4 Prozent. Paul Komminoth, Chefarzt für Pathologie am Triemli, sagt der ZSZ, der Rückgang sei ein«gesamteuropäischen Phänomen». Und auch in den USA liege die Obduktionsrate «seit Jahrzehnten unter 5 Prozent».
Was sind die Gründe für den Rückgang? Pathologen verweisen auf den in immer mehr Kantonen vollzogenen Wechsel von der Widerspruchs- zur Zustimmungslösung. Dort müssen Ärzte nun aktiv eine Erlaubnis zur Obduktion haben oder einholen. Doch auch in Kantonen ohne diese Regelung gehen die Obduktionszahlen zurück.
Der Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie am USZ sagt, die Einstellung der Ärzteschaft zum Thema habe sich wahrscheinlich verändert. Speziell jüngere Ärzte seien von der Notwendigkeit der Leichenöffnung nicht mehr überzeugt. Dies auch, weil es neue Diagnosemethoden erlaubten, zu Lebzeiten besser Analysen vorzunehmen.
Ausbildung gefährdet
Doch Pathologen sind überzeugt, dass es weiterhin Obduktionen braucht. Viele Dinge würden sonst schlicht nicht festgestellt. Wolfram Jochum, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Pathologie, sagt zur ZSZ, dass die tiefen Obduktionsraten neben der Qualitätssicherung der Spitäler auch die Qualität der Aus- und Weiterbildung der Mediziner gefährde. Ärzte müssten deshalb darin geschult werden, die Angehörige zum richtigen Zeitpunkt für Leichenöffnung gewonnen werden.