Tabak: Die Ärzteschaft soll mehr Druck machen

In einem offenen Brief monieren 140 Mediziner «das Schweigen der Ärzte» in der Debatte ums Tabakprodukte-Gesetz. Es gehe um die Glaubwürdigkeit des Standes.

, 12. August 2015 um 17:00
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Schon jetzt werfen die Aufgaben des nächsten Parlaments ihren Schatten. Zu den Themen, die National- und Ständerat ab Herbst behandeln müssen, gehört der Entwurf zum Tabakproduktegesetz. Und hier wittern offenbar viele Ärzte noch Nachholbedarf: Vom Gesundheitsstandpunkt aus gesehen sei dieser Entwurf ungenügend, schreibt eine grosse Gruppe in der neusten Ausgabe der «Schweizerischen Ärztezeitung»
Denn das Gesetz sehe zum Beispiel kein generelles Tabak-Werbe- und Sponsoring-Verbot vor. Es lasse somit der Tabakindustrie viel Spielraum, auch künftig um Jugendliche zu werben.
In einem offenen Brief fordern nun 139 Unterzeichner, dass die Ärzteschaft Gegensteuer gibt. Geleitet wird der Aufruf von Rainer M. Kaelin, dem Pneumologen aus Morges und ehemaligen Vizepräsidenten der Lungenliga. 

«Nur sehr diskret»

Die Ärzte befürchten, dass das geplante Gesetz zu einem weiteren Alibigesetz mit schädlichen Nebenwirkungen wird: Denn es könnte sogar dabei helfen, dass die Schweiz zwar die WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle ratifiziert, obgleich ihre Gesetzgebung weder dem Geist noch dem Buchstaben dieses Abkommens entspreche.
Mit einer unter diesen Umständen unterzeichneten Rahmenkonvention aber wären weitere strukturelle Verbesserungen der Tabakprävention für das nächste Jahrzehnt verbaut.
Die Autoren des offenen Briefes werfen nun der FMH vor, in der Sache bisher «nur sehr diskret» aufgetreten zu sein: Wie andere Gesundheitsorganisationen habe auch die Ärzteschaft ihre Kommunikationskanäle bloss ungenügend benützt.

Stellung beziehen – gemeinsam und einheitlich

Das Schweigen der Ärzteschaft hätte andererseits für Big Tobacco willkommene Unterstützung bei der eigenen Desinformation geboten.
Rainer M. Kaelin und seine Mitstreiter regen also an, dass die FMH in den kommenden Monaten mit anderen Gesundheits- und Präventionsorganisationen öffentlich Stellung bezieht – gemeinsam und einheitlich.
Die FMH solle dabei klarstellen, dass sie die Interessen der öffentlichen Gesundheit «über die Partikularinteressen der Wirtschaft stellt».

Die Glaubwürdigkeit der Ärzte

Dabei solle die Foederatio diesem Anliegen jetzt höchste Priorität zusprechen: «Denn es geht um unsere eigene Glaubwürdigkeit als Ärzte.»
Christine Romann nimmt den Ball in derselben Ausgabe der SAEZ denn gleich auf. Die  Präventionsverantwortliche der FMH schreibt, dass die Autoren eigentlich «weit offene Türen einrennen». Ja, es liessen sich eigentlich keine Differenzen zwischen der Position der Unterzeichner und jener der FMH erkennen. 
Romann erinnert daran, dass der Verband in der Vernehmlassungsantwort gerade einen griffigen Jugendschutz und ein umfassendes Werbeverbot eingefordert habe. Und mit Blick auf die nähere Zukunft werde sich die FMH überlegen, wie man sich im Parlament für ein gutes Tabakproduktegesetz einsetzen könne.
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