Corona-Ausbruch: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen leitende Ärzte

In Deutschland hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Verantwortliche einer Klinik eingeleitet: Es besteht der «Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung» im Zusammenhang mit dem Covid-19 Ausbruch.

, 18. Juni 2020 um 08:23
image
  • spital
  • coronavirus
  • ernst von bergmann klinikum
  • deutschland
Die Aufräumarbeiten nach der Corona-Krise sind in vollem Gang. Dies führt auch zu juristischen Auseinandersetzungen, wie ein Spital in Deutschland jetzt erfahren muss. Die Staatsanwaltschaft hat gegen drei leitende Mediziner und die Geschäftsführung des Ernst von Bergmann Klinikum ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Es bestehen laut der Strafverfolgungsbehörde «zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass sich Patienten während ihrer stationären Behandlung in dem Spital durch pflichtwidrige Versäumnisse der Beschuldigten mit dem SARS-CoV-2-Virus vermeidbar infiziert haben und ein Teil von ihnen infolge der hervorgerufenen Infektion an Covid-19 verstorben sind.»

Massnahmen nicht rechtzeitig ergriffen

Im Potsdamer Spital mit über 1'000 Betten und 2'300 Mitarbeitenden hatten sich im März Covid-19-Infektionen bei Patienten und Mitarbeitenden gehäuft: Von Ende Januar bis Ende April waren 140 Patienten und 208 Angestellte positiv getestet worden; 47 Corona-Patienten starben in der Klinik. 
Den Medizinern und der inzwischen beurlaubten Geschäftsleitung werden «fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung» im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft in einer Medienmitteilung schreibt. 

Verstoss gegen das Infektionsschutz-Gesetz

Die Ärzte werden beschuldigt, Erkrankungen oder Verdachtsfälle nicht oder verspätet gemeldet zu haben. Dadurch sei es nicht möglich gewesen, Rückschlüsse auf die epidemiologische Lage zu ziehen und entsprechende Massnahmen anzuordnen, «wodurch möglicherweise Infektionen oder gar der Tod von Patienten hätte verhindert werden können», steht in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft weiter.
Ferner sollen es die Beschuldigten verabsäumt haben, im Ausbruchsmanagement kompetente Personen in die Krankenhauseinsatzleitung zu integrieren. Und möglicherweise haben sich die Ärzte durch ihr Verhalten auch wegen eines Verstosses gegen das Infektionsschutz-Gesetz strafbar gemacht. 

Arbeitsverhältnisse nicht unmittelbar betroffen

In einer Mitteilung erklärte die Spitalleitung, sie werde die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des Sachverhalts umfassend unterstützen. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens sei jedoch keine Vorentscheidung über die Frage einer Anklageerhebung. «Insofern sind die Arbeitsverhältnisse von der Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens nicht unmittelbar betroffen.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Deutschland: Drogerieriese drängt in Gesundheitsvorsorge

Die Drogeriekette DM bietet neu auch Gesundheitsservices an. Der Konzern arbeitet mit professionellen Partnern – Fachärzte äussern Kritik.

image

Sparprogramme reichen nicht: Das Spitaljahr im Check

Kooperationen, weniger Angebote, effizientere Abläufe, Schliessungen, Nullrunden bei den Löhnen: Die öffentlichen Akutspitäler haben viel getan, um die Finanznot zu bekämpfen. Fazit: So geht es trotzdem nicht weiter.

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

«Als Arzt nach Deutschland – warum nicht?»

Für Schweizer Assistenzärzte kann die Arbeit an einem deutschen Krankenhaus interessant sein. Die Nachfrage steige, sagt Martin Werner von DocsGoSwiss im Kurzinterview.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.