Am Dienstag verkünden Gesundheitsminister Alain Berset und BAG-Chef Pascal Strupler die Krankenkassen-Prämien für das Jahr 2020. Bereits im Vorfeld liessen die grossen Kassen Helsana, CSS, Groupe Mutuel, Swica und Santas durchblicken: Die Prämien bleiben für einen Grossteil der Versicherten stabil oder sollen sogar sinken
(etwa hier).
Alain Berset kritisierte dieses Vorgehen als zu früh. Die von Versicherern geäusserten Angaben seien «juristisch an der Grenze und politisch unzulässig», sagte er
in einem Interview mit den Tageszeitungen von Tamedia. Es verunsichere die Leute, was zu verfrühten, falschen Entscheiden führen könnte.
Im Krankenversicherungsaufsichtsgesetz steht: Die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung «dürfen vor ihrer Genehmigung weder veröffentlicht noch angewendet werden». Informieren dürfen die Versicherer erst, nachdem das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Prämien genehmigt hat.
Bundesrat prüft Gesetzesanpassung
Denn solche Äusserungen könnten dem BAG zufolge zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Weil sich die Aussagen rechtlich in einer Grauzone befinden, kann die Behörde die Kassen jedoch nicht büssen. Das Bundesamt für Gesundheit habe zum Schutz der Versicherten aber umgehend bei den Versicherern interveniert.
Nun will der Bundesrat noch weiter gehen: Er will verfrühte Äusserungen unter Strafe stellen,
wie die «Sonntagszeitung» (Abo) berichtet. Dafür müsse das Gesetz angepasst werden. «Der Bundesrat ist bereit, die Opportunität einer solchen Gesetzesanpassung zu prüfen», wird BAG-Sprecher Jonas Montani im Bericht zitiert.
Wie sich Versicherer rechtfertigen
Die Versicherer wehren sich gegen die Anschuldigung von Alain Berset, zu früh informiert zu haben. Die Groupe Mutuel etwa habe «das Vertriebsnetz und nicht die Öffentlichkeit über die Presse» informiert, zitiert die «Sonntagszeitung» den Versicherer aus Martigny. Als Reaktion auf die Mitteilung der Mitbewerber – um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Auch Helsana habe keinerlei konkrete Angaben zu den Prämien gemacht. Die Kasse habe lediglich eine Prognose erlaubt, sagte ein Sprecher zur Zeitung. Und Concordia teilt mit, das als vertraulich bezeichnete Dokument hätte nicht an Vermittler weitergeleitet werden dürfen.
3,1 Milliarden Franken Quersubventionierung
Krankenkassenexperte Felix Schneuwly bezeichnet diese herrschende Prämienregulierung als «schädliche Geheimniskrämerei». Die Kalkulation und Genehmigung aller Grundversicherungsprämien orientiert sich gemäss KVG an der Standardgrundversicherung. Und das sei nicht mehr zeitgemäss, so Schneuwly. Denn mittlerweile habe nur noch eine Minderheit der Versicherten eine Standardgrundversicherung.
Die Prämienregulierung müsste im Interesse der Versicherten sein, so Schneuwly vom Online-Vergleichsdienst Comparis weiter. Heute müssten die Versicherten mit Rabatten
eine Unterdeckung des Standardversicherungsmodells von gut 3,1 Milliarden Franken ausgleichen. Hauptgrund sind die Rabattierungsregeln bei Wahlfranchisen und alternative Versicherungsmodellen (AVM). Er fordert unter anderem die Prämie der Standardgrundversicherung als Referenzprämie für alle AVM-Prämien abzuschaffen.