Qualitätssicherung ist mehr als Projektarbeit

Bei der Umsetzung des neuen Qualitätsartikels 58 KVG wird gerade versucht, die Wirklichkeit an ein bürokratisches Monster anzupassen. Die Fixierung auf Projektfinanzierung missachtet die bisherigen Qualitätsinstitutionen sträflich und schafft einen administrativen Overkill.

, 13. November 2021 um 08:00
image
  • politik
  • felix huber
  • qualität
  • gastbeitrag
Im neuen Artikel 58 KVG werden Verträge zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und den Versicherern gefordert und es wird eine Qualitätskommission eingesetzt mit einem 4-Jahresbudget von 45 Mio. Natürlich waren die Qualitätsverträge längst fällig. Seit der Einführung des KVG 1996 sind diese in Artikel 58 (alt) vorgeschrieben und wurden in diesen 25 Jahren nicht umgesetzt. Das wird sich jetzt mit dem erweiterten Art. 58 ändern und hat allgemeine Hektik ausgelöst. Diese vertraglichen Vereinbarungen sind überfällig.
Was KVG Art 58 neu und die Verordnung dazu aber darüber hinaus mit der neuen Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) festlegen wollen kann nur als realitätsfremd und destruktiv bezeichnet werden. Mit der ideologischen Fixierung auf ausschliessliche Programm- und Projektfinanzierung zerstört man langjährige Qualitätsinstitutionen in der Schweiz. So haben die Stiftung für Patientensicherheit und viele Zertifizierungsorganisationen (wie z.B. EQUAM) in den letzten 20 Jahren wertvolle Qualitätssicherung geleistet. Diese privaten Institutionen haben mit ihrer kontinuierlichen Arbeit gezeigt, wie man die Qualität misst, verbessert und sicherstellt.
Qualitätssicherung ist eben weit mehr als nur Projektarbeit. Sie braucht ein Kontinuum mit laufender Weiterentwicklung der Indikatoren. Ausgerechnet der Stiftung für Patientensicherheit wurden jetzt gerade gestützt auf Art. 58 KVG und der Verordnung dazu sämtliche Mittel entzogen, weil Gelder nur noch für Qualitätsprojekte gesprochen werden. Der einzige Weg für die hochentwickelten Qualitätsinstitutionen in der Schweiz liegt in der mühsamen Eingabe Projekten, die dann zu 50% selbst finanziert werden sollen. Ist es behördliche Unwissenheit, Naivität, destruktive Böswilligkeit oder realitätsfremde Ideologie?
Interessanterweise hat sich diese realitätsferne Interpretation der Qualitätsarbeit beim BAG wie ein Myzel in andere Bereiche der Qualitätsauflagen eingenistet. So werden in der Umsetzung des Heilmittelgesetzes in der Verordnung VITH als Bedingung für Einsatz von ausgehandelten Rabatten «neue» Qualitätsprojekte gefordert. Ärztenetze und Fachgesellschaften betreiben aber seit vielen Jahren mit grossem Aufwand eine kontinuierliche Qualitätskontrolle und Qualitätstransparenz. Man wird den Eindruck einfach nicht los, dass das BAG die bereits etablierte Qualitätsstruktur zerstören will. Aber unter bürokratischem Furor wird kein Phönix aus der Asche steigen.
Qualitätsinstitutionen sind weit mehr als Projekt-Dienstleister. Sie haben über Jahrzehnte gute, unabhängige Arbeit geleistet und sich für das Gesamtsystem engagiert. Diese bestehenden Qualitätsorganisationen bauen auf kontinuierlichen Qualitätskontrollen auf und entwickeln sich laufend weiter. Die Fixierung des BAG auf Projektfinanzierung missachtet geradezu bösartig diese wertvolle Aufbauarbeit und baut neue potemkinsche Dörfer auf Sand und Ideologie. Auch dieses grossangelegte Projekt, die Umsetzung von Art. 58 wird, wie so viele zentrale Aufgaben des BAG auf der Strecke bleiben und eine Spur der Verwüstung zurücklassen. 
Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze  
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Die Tarifpartnerschaft ist nicht ebenbürtig»

Der umstrittene Tarifeingriff in der Physiobranche ist noch nicht in Kraft. Lange will die Gesundheitsministerin aber nicht mehr warten.

image

Krebsmedikamente haben Gewinnmarge von 85 Prozent

Ein altes Anliegen ist erneut im Parlament: die horrenden Kosten für Krebsmedikamente.

image

Corona: Kein Ausfall-Geld für die Spitäler

Der Bund will sich nicht an den pandemiebedingten Ertragseinbussen der Spitäler beteiligen.

image

Ältere Ärztinnen und Ärzte werden vom EPD befreit - wenigstens vorläufig

Wird die Ärzteschaft dazu gezwungen, das EPD bereits in zwei Jahren aufzuschalten, könnten die älteren Semester vorzeitig abspringen.

image

EPD: Übungsabbruch ist kein Thema

Nach dem Nationalrat stimmt am Dienstagmorgen auch der Ständerat einer Übergangsfinanzierung für das EPD zu.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

Vom gleichen Autor

image

Viktor 2023: Ein Pflegefachmann macht Hoffnung als Politiker

Patrick Hässig war 18 Jahre Radiomoderator, dann ging er erst in die Pflege – und dann in den Nationalrat. Nun erhielt er den «Viktor» als beliebtester Gesundheitspolitiker.

image

Traditioneller Medinside Frühstücksevent

Verpassen Sie nicht unseren traditionellen Frühstücksevent 25. Oktober 2023 in Zürich. Dieses Jahr mit spannenden Themen und Referenten.

image

Viktor 2022: Nominieren Sie jetzt!

Würdigen Sie aussergewöhnliche Leistungen im Gesundheitswesen 2022 und nominieren Sie bis Ende Januar Ihren persönlichen Favoriten.