Patiententransport-Dienste finden Marktlücke

Immer mehr Spitäler lassen Patienten nicht mehr mit einem teuren Notfall-Fahrzeug transportieren. Private Anbieter wie Alpha Medic profitieren.

, 12. August 2020 um 10:19
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Private Patiententransporte sind immer häufiger gefragt – vor allem, weil sie billiger sind als Fahrten mit den Notfall-Fahrzeugen der Rettungsdienste. Nun will sich auch der Anbieter Alpha Medic in Position bringen.

Vier Spitaldirektoren neu im Verwaltungsrat

Der Gründer des Zuger Unternehmens mit Sitz in Baar, Jean-Claude Furegati, wird Verwaltungsratspräsident und schart im Verwaltungsrat vier Spital- und Klinikdirektoren um sich:
  • - Andreas Greulich, Direktor des Spitals Uster
  • - Marco Gugolz, Direktor der Klinik Hirslanden Zürich
  • - Andreas Gattiker, Direktor des Kantonsspitals Obwalden
  • - Martin Werthmüller, Direktor der Psychiatrie Clienia Schlössli

Rettungsfahrzeuge sind teuer

Dass sich Spitaldirektoren um den Einsitz in den Verwaltungsrat einer Patiententransport-Firma bemühen, hat einen guten Grund: Für viele Patienten-Transporte braucht es kein voll ausgestattetes Notfall-Fahrzeug, dessen Einsatz bereits für eine kurze Fahrt mehrere hundert Franken kostet.
Vor wenigen Jahren entdeckten zwei Sanitätspolizisten diese Marktlücke: Mit der privaten Firma Mopi begannen sie,  Transporte anzubieten für Patienten, die zwar medizinische Betreuung brauchen, aber nicht in Lebensgefahr sind (siehe Kasten unten).

5000 Transporte pro Jahr

Auch Alpha Medic stieg vor knapp vier Jahren in dieses Geschäft ein. Derzeit transportiert die Firma nach eigenen Angaben pro Jahr 5000 Patienten für Kliniken und Pflegeheime. Zu den Kunden gehören mehrere Hirslanden-Kliniken, das See-Spital und Psychiatrie-Kliniken.
Der Grund, dass diese Kliniken für ihre nicht notfallmässigen Patienten-Transporte lieber keine Ambulanz beauftragen, ist klar: Für eine kurze Fahrt mit einem voll ausgerüsteten Rettungsfahrzeug werden ihnen in einigen Kantonen bis zu 1000 Franken verrechnet. Fixe Tarife für die Ambulanzfahrten der Schweizer Rettungsdienste gibt es nicht. Sie unterscheiden sich stark von Kanton zu Kanton.

Rettungsdienste profitierten bisher von Verlegungsfahrten

Dass die Spitäler für ihre Verlegungstransporte – zum Beispiel von einem Spital zu einem anderen, zu Therapien oder ins Altersheim -immer häufiger die massiv günstigeren Privaten bestellen, wird bei den Rettungsdiensten sehr kritisch bewertet.
Denn die Verlegungsfahrten sind bei den Rettungsdiensten willkommen: Sie sind planbar, überbücken die Leerzeiten, sind meistens weniger aufwändig als Notfälle und trotzdem gut bezahlt.

Werden Notfall-Fahrten künftig teurer?

Grosse Rettungsdienste – wie zum Beispiel die städtischen Sanitätspolizeien oder die Rettungsdienste grosser Spitäler – machen mit den Einnahmen aus den Verlegungstransporten einen Teil ihrer hohen Kosten wett, die aus dem aufwändigen Pikett-Betrieb rund um die Uhr entstehen.
Fallen die Einnahmen aus den Verlegungstransporten weg, werden die Notfall-Einsätze teuer, prophezeien denn auch einige Rettungsdienste.

Spitäler und Krankenkassen profitieren

Doch wem kommen die Ersparnisse durch die billigeren privaten Patiententransporte zugute? Meistens den Spitälern. Denn sie können in der Regel nur eine Fallpauschale und nicht einzelne Transporte verrechnen. Aber auch Altersheime und Pflege-Institutionen nutzen das Angebot von Privaten. Im Gegensatz zu den Spitälern profitieren sie nicht selber vom tieferen Transportpreis. In diesen Fällen zahlen die Krankenkassen weniger.

Auch andere neue Unternehmen

Der Markt der privaten Patiententransporte ist derzeit stark umkämpft. Seit rund fünf Jahren versuchen neu gegründete Firmen Fuss zu fassen: In Basel gibt es zum Beispiel seit fünf Jahren MTS und seit zwei Jahren Mobimed. In der Region Bern buhlen die Pionierin Mopi und der Behindertentransportdienst Easycab um neue Kunden. Wie Alpha Medic sucht sich auch Easycab Spitalpartner: Das Spital Simmental-Thun-Saanenland (STS) und das Regionalspital Emmental sind an Easycab beteiligt.

Eine Marktlücke entdeckt

Auf einer langen Verlegungsfahrt mit der Ambulanz von Bern ins Tessin waren zwei damalige Mitarbeiter der Berner Sanitätspolizei auf die Idee gekommen: Für solche Patiententransporte braucht es keine teure Ambulanz. Deshalb gründete Thomas Moser zusammen mit einem Kollegen 2013 im Bernischen Uetendorf die Firma Mopi. Neu war damals vor allem, dass sie den Liegend Transport von Patienten anbot.

Luxus-Auto für gut betuchte Privatklinik-Patienten

Alpha Medic versucht derzeit mit einem weiteren Angebot, Privatspitäler und deren Patienten zu gewinnen: Mit dem Dienst «Medical Limousine» können sich Patienten in einem Luxusauto nach der Entlassung aus dem Spital nach Hause oder in die Reha-Klinik chauffieren lassen.
Alpha Medic wirbt damit, dass das Auto mit Defibrillator und Sauerstoff ausgestattet sei und der Chauffeure pflegerische und medizinische Grundkenntnisse habe. Kliniken, die ihren Patienten den Service bieten wollen, zahlen eine Fahrtpauschale ab 150 Franken.
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Ab 150 Franken kostet es, wenn Spitäler ihre Patienten in einem Maybach-Mercedes nachhause chauffieren lassen möchten. | PD
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