Neues Informatik-System hat das Fass zum Überlaufen gebracht

Die Einführung des digitalen Kliniksystems am Luzerner Kantonsspital hat zu einer akuten Überlastung der Abteilung für Intensivmedizin geführt - und zum Ausfall von gleich mehreren Kaderärzten.

, 9. Januar 2020 um 08:20
image
Seit September betreibt das Luzerner Kantonsspital (Luks) das neue Klinik-Informationssystem mit dem sympathisch klingenden Namen «Lukis». Doch die Hausärzte aus dem Kanton Luzern fanden kurz nach der Einführung nicht nur lobende Worte für die neue Plattform. Insbesondere die Kommunikation zwischen den Zuweisenden und dem Spital wurde bemängelt. 
Das neue digitale System stösst aber offenbar auch bei den Mitarbeitenden des Kantonsspitals auf Kritik: Das Spitalpersonal klagt über die Mehrbelastung, die durch das neue Portal entstehe: noch mehr Zeit am Bildschirm, weniger Zeit am Patientenbett, so der Tenor.

Chefarzt nimmt Auszeit

Vor allem in der Abteilung für Intensivmedizin (ZIM) am Luzerner Kantonsspital soll das 60-Millionen-Franken teure Klinikinformatik-Projekt mit dem US-Anbieter Epic holprige Spuren hinterlassen haben.
So ist im November bekannt geworden, dass es am ZIM zu mehreren temporären und krankheitsbedingten Ausfällen gekommen ist: unter anderem sind zwei der drei Kaderärzte ausgefallen. Wahleingriffe, die intensive Versorgung benötigen, muss das Spital verschieben. Und vor kurzem hat sich sogar Chefarzt Lukas Brander entschieden, eine Auszeit von drei Monaten zu nehmen.

Die Belastung ist zu viel geworden

Das Kantonsspital räumt die «akute Überlastung» des ZIM-Teams nun ein. Es stimme, dass die Arbeitsabläufe mit Lukis nun teilweise zeitintensiver seien, sagt Marco Rossi gegenüber dem Regionaljournal von SRF. Er ist Chefarzt der Infektiologie und Vermittler zwischen der Ärzteschaft und den IT-Verantwortlichen.
Der Zeitpunkt der Einführung des neuen Systems sei in eine Zeit gefallen, in der die Belastung für das Personal schon sehr hoch gewesen sei. «Vor allem in der Abteilung für Intensivmedizin gab beim Personal keine Reserven mehr – und in dieser Phase kam Lukis dazu», so Rossi weiter, der das ZIM nun interimistisch leitet. Dies habe zu einer akuten Überlastung der Teams und zum Ausfall einzelner Mitarbeiter geführt.

Spital will jetzt nachbessern

Technisch gesehen funktioniere die Software aber einwandfrei, sagen die Verantwortlichen gegenüber SRF. Die digitale Arbeitsplattform, die auch die Berner Inselgruppe demnächst einführen will, arbeite stabil. Und vor allem bei komplexen Fällen erleichtert das neue Portal laut Chefarzt Marco Rossi die Arbeit. 
Das Spital will nun aber eine anonyme Umfrage beim Personal durchführen, um herauszufinden, wie die Angestellten die Arbeit mit dem neuen System bewerten. Die Hauptfiguren des Projekts wollen herausfinden, wie sich Lukis verbessern und weiter optimieren lässt. 

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Spitäler halbieren Verlust – aber zwei Drittel bleiben im Minus

2024 reduzierten die Schweizer Spitäler ihren Verlust – nach 777 Millionen Franken im Vorjahr waren es nun 347 Millionen. Aber immer noch schreiben fast zwei Drittel der öffentlichen Kliniken rote Zahlen. Die Zahl der Ärzte stieg stärker als jene des Pflegepersonals.

image

Pflege: Fatales Signal aus den USA

Die Regierung in Washington streicht Nursing aus der Liste der höheren Abschlüsse.

image

Solothurn: Brücke in den Schweizer Pflegealltag

Ein gemeinsames Programm der Solothurner Spitäler und der Volkshochschule soll ausländischen Pflegefachkräften den Einstieg erleichtern. Es kombiniert Sprachförderung, Weiterbildung und praktische Einsätze.

image

«Ich verstehe die Ungeduld der 200'000 Pflegefachleute im Land»

Heute gehen Pflegekräfte in Bern auf die Strasse: Sie fordern die konsequente Umsetzung der Pflegeinitiative. Auch GLP-Nationalrat und Pflegefachmann Patrick Hässig ist dabei.

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

image

Sektionen des Pflegefach-Berufsverbands lösen sich auf

Mit etwas Wehmut nehmen die bisherigen regionalen Sektionen des Berufsverbands Abschied. Ab nächstem Jahr gibt es nur noch eine gesamtschweizerische Organisation.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.