Migel-Liste: Die Lektion des Blutzucker-Tests

Medizinische Hilfsmittel sind zu teuer! Und das BAG schläft! Dies war das eifrig debattierte Fachthema der Woche. Doch vielleicht ist die Sache nicht ganz so einfach.

, 6. März 2016 um 14:00
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Zu Wochenbeginn lancierten der «Kassensturz» wie die Radiosendung «Espresso» das Thema der MiGeL – jener Liste, welche die Kassenpreise für medizinische Hilfsgüter festlegt. Vorgestellt wurden Produkte, für welche die Krankenkassen mit Segen des BAG überteuerte Preise bezahlen müssen. Das BAG kündigte an, dass die Liste bis Ende 2017 überarbeitet werde.
Aber sind die medizinischen Hilfsmittel wirklich zu teuer?
Hier eine Gegenstimme. Sie kommt vom IFAK Verein, also der Organisation der unabhängigen Apotheken, und wurde publiziert in deren Plattform «3min-info». Autorin ist die Apothekerin Heidi Mühlemann.
Am 1. März berichtete der «Kassensturz» über die Missstände bei der Mittel- und Geräte-Liste MiGeL. Dort liegt einiges im Argen, und dies seit 20 Jahren. Im «Kassensturz» wurden, dem Konzept der Sendung entsprechend, ausschliesslich Produkte gezeigt, die gemäss MiGeL zu einem stark überhöhten Preis verrechnet werden dürfen. Das ist zweifellos störend und müsste angepasst werden.
Es geht jedoch nicht nur um einzelne Produkte. Das ganze System ist nicht marktkonform.
Prominentes Beispiel sind die Blutzuckertests. Eines Tages senkte das Bundesamt für Gesundheit BAG ziemlich willkürlich die Preise. Mit der Konsequenz, dass die Apotheker die Blutzuckertests zu einem höheren Preis einkaufen mussten, als sie den Krankenkassen verrechnen durften.
Die Apotheken-Interessengemeinschaft IFAK wehrte sich. Das BAG gab nach und erhöhte den Preis wieder. Das löste das Problem für die Apotheker jedoch nur teilweise, denn die Hersteller der Zuckerteststäbchen wurden nicht in die Pflicht genommen.

Pest oder Cholera?

Der Hintergrund: Bei den Medikamenten bestimmt das BAG sowohl den Ex-Factory-Preis als auch den maximalen Verkaufspreis. Bei den Produkten der MiGeL sind die Hersteller jedoch frei in der Preisgestaltung.
Wenn das BAG die Höhe der Vergütung für ein Produkt senkt – wie bei den Blutzuckertests geschehen – betrifft dies lediglich den Publikumspreis. Der Ex-Factory-Preis ist davon unberührt. Dies zwingt die Apotheker deshalb bei einigen Produkten seit Jahren in die Situation, entweder bei jeder Packung draufzulegen – oder die Kunden die Differenz aus der eigenen Tasche bezahlen zu lassen. Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Produkte nicht kostendeckend oder sogar unter dem Einstandspreis zu verkaufen, ist untragbar für die Apotheken, die sich marktwirtschaftlich behaupten müssen. Die Kunden mit einer Zuzahlung zu verärgern, ist es letztlich ebenfalls und auch nicht im Sinne einer Sozialversicherung.

Weiss Meierhans, worum es geht?

Die Hersteller bleiben davon unberührt. Sie setzen ihre Ex-Factory-Preise durch – wie der Fall der Blutzuckertests zeigte. Die Firma Bayer sandte sogar ein Rundschreiben an die Diabetiker und prangerte die Apothekerschaft an. Die Kaltblütigkeit funktioniert. Die Patienten haben keine Wahl, sie können nicht auf den Kauf der Teststäbchen verzichten. Den Ärger laden sie in der Apotheke ab. Die Hersteller und das BAG waschen sich die Hände in Unschuld.
Vor diesem Hintergrund wirken die Statements von Preisüberwacher Stefan Meierhans und Santésuisse-Direktorin Verena Nold gegenüber dem «Kassensturz» besonders deplatziert. Beide hinterliessen nicht den Eindruck, dass sie verstanden haben, worum es bei der MiGeL geht. Bereits im zweiten Satz fabulierten beide etwas von nötigem Preisvergleich mit dem Ausland.
Verena Nold setzte sogar die Zahl von 100 Millionen Franken Sparpotential in die Welt. Und der «konsternierte» (O-Ton «Kassensturz») Meierhans gab das gebetsmühlenartige Statement ab, man müsse die Preise regelmässig prüfen und mit dem Ausland vergleichen.

Vergleich mit Ausland nützt nichts

Deutlicher hätten die beiden nicht zum Ausdruck bringen können, dass sie keine Ahnung hatten, wovon sie reden.
Der Vergleich der Publikumspreise mit jenen im Ausland nützt gar nichts. Er akzentuiert lediglich das eingangs dargelegte Problem und führt dazu, dass Patienten gewisse Produkte unter Umständen gar nicht mehr erhalten, weil der Apotheker sie nirgends zu einem adäquaten Einstandspreis kaufen kann.
Claus Hysek, Präsident des IFAK-Vereins und seit Jahren Kämpfer an vorderster Front gegen die Missstände bei der MiGeL, fordert deshalb nicht nur die Anpassung der Preise und zwar in beide Richtungen. «Das gesamte System muss grundsätzlich überdacht werden», sagt er. «Auch die Hersteller müssen in die Pflicht genommen werden.»
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