Neue Technik zur Medikamenten-Überwachung ohne Blutabnahme

Wissenschaftler aus der Schweiz und Kanada haben ein Mikro-Nadel-System entwickelt: Es ermöglicht eine schmerzfreie und minimal-invasive Medikamenten-Überwachung – die offenbar auch günstiger ist.

, 26. Juli 2016 um 07:00
image
  • medikamente
  • paul scherrer institut
  • trends
Ein neues System könnte jetzt die herkömmliche teurere Messung der Medikamenten-Konzentration im Blut ersetzen. Damit rückt die Arzneimittel-Überwachung ohne Nadeln und Schmerzen einen grossen Schritt näher.
Entwickelt wurde das Mikronadel-Produkt von Forschern der Universität of British Columbia (UBC) gemeinsam mit dem Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen. Kommerzialisiert wird es nun durch die kanadische Firma Microdermics, einem Spin-Off der UBC.

«Ein neueres Konzept»

«Viele Wissenschaftlerteams forschen nach Mikro-Nadel-Technologien, um Impfstoffe und Medikamente schmerzfrei zu verabreichen», erklärt einer der Beteiligten, Sahan Ranamukhaarachchi, in einer Mitteilung der University of British Columbia
Doch schmerzfrei Medikamente zu überwachen, das sei ein neueres Konzept, so Ranamukhaarachchi weiter.
image
Mikronadeln: Schmerzfrei und kostengünstig (Bild: Sahan Ranamukhaarachchi)

Submillimeterbereich: Haut bleibt unverletzt

Das neue Mikro-Nadel-System besteht aus einem kleinen, dünnen Pflaster. Dies wird während der medizinischen Behandlung gegen den Arm des Patienten gepresst, um festzustellen, welche Medikamente sich im Blut befinden. Die Vorteile dabei: keine Schmerzen – und vor allem keine Blutabnahme.
Der winzige nadelähnliche Vorsatz, der an einen Hohlkegel erinnert, ist weniger als einen halben Millimeter lang. Ausserdem: Die Haut wird bei der Untersuchung nicht durchstossen, wie das bei herkömmlichen Standard-Injektionsnadeln der Fall ist.
Mikro-Nadeln sind laut den Forschern darauf ausgerichtet, die äussere Schicht der Haut zu punktieren. Diese Hautschicht dient als Schutzschild, anders als die folgenden Schichten der Epidermis und Dermis mit ihren Blutgefässen und aktiven Immunzellen.

Sahan A. Ranamukhaarachchi, Celestino Padeste, Matthias Dübner, Urs O. Häfeli, Boris Stoeber & Victor J. Cadarso: «Integrated hollow microneedle-optofluidic biosensor for therapeutic drug monitoring in sub-nanoliter volumes», in: «Nature», Juli 2016.

Winzigste Proben reichen aus

Die Wissenschaftler haben die neue Mikro-Nadel am Medikament Vancomycin getestet und die Ergebnisse jüngst im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht. Das Antibiotikum Vancomycin setzen Mediziner bei schweren Infektionen ein. Der Nachteil: Das intravenös verabreichte Medikament kann schwere lebensbedrohliche Nebenwirkungen auslösen. Deshalb muss man den Patienten während der Behandlung drei bis vier Mal am Tag Blut abnehmen. 
Die Forscher stellten bei der Anwendung des neuen Mikro-Nadel-Systems fest, dass sie die Flüssigkeit, die sich unter der äusseren Schicht der Haut befindet, ebenfalls für die Überwachung der Menge von Vancomycin im Blut einsetzen konnten. Dabei entnimmt die Mikro-Nadel nur eine geringe Menge dieser Flüssigkeit – weniger als ein Millionstel eines Milliliters.

Optischer Sensor wertet aus

Im Inneren der Nadel kommt es dann zu einer Reaktion, welche die Forscher mittels eines optischen Sensors auswerten können. Dieses Verfahren erlaube es, die Konzentration von Vancomycin rasch und einfach festzustellen, schreiben die Entwickler in ihrem Papier. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Swissmedic kennt bereits heute stark vereinfachte Zulassungsverfahren

Warum nicht die Zulassung von patentabgelaufenen Arzneimitteln vereinfachen? Weil es nichts bringt.

image

BAG: Whistleblowing-Plattform soll Missstände aufdecken

Integrität, Transparenz, Weitergabe von Vorteilen: Das Bundesamt für Gesundheit betreibt neu eine Whistleblowing-Plattform, um Verstösse zu melden.

image

Das werden die 10 Umsatz-Hits bei den Medikamenten

Krebsmedikamente werden auch dieses Jahr die Umsatz-Statistik anführen. Das prognostiziert die Plattform Statista.

image

Ärzte bei Pregabalin-Abgabe in der Zwickmühle

In Gefängnissen und Asylzentren gibt es immer mehr Missbrauch des Medikaments Pregabalin. Ärzte stehen vor einem Dilemma.

image

Medikamentenpreise sind gesunken – angeblich

Mieten und Strom sind in der Schweiz teurer geworden. Doch Medikamente sind billiger als vor Jahresfrist. Kann das stimmen?

image
Ein Kommentar von Enea Martinelli

Arzneimittel: Vom Engpass in die Kostenfalle

Es mag oft zufällig wirken, wenn ein bestimmtes Medikament fehlt. Aber die Folgen haben System. Der Musterfall eines Herzmittels zeigt, wie am Ende die teuerste Lösung übrig bleibt.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.