Die Fälle sorgen weiterhin für Schlagzeilen: Zwei Schweizer Orthopäden haben mutmasslich wider besseren Wissens Bandscheibenprothesen aus Kunststoff - Typ Cadisc-L -eingesetzt. Als Folge davon litten viele ihrer Patientinnen und Patienten unter teils massiven Komplikationen. Es laufen Strafuntersuchungen. Nun gerät ein weiterer Operateur in die Kritik.
Dies nicht zuletzt aufgrund der von ihm eingesetzten Implantaten aus Kunststoff. Das Modell Freedom des US-Unternehmens Axiomed ist typähnlich mit dem Cadisc-L. Beiden Implantaten gemein ist auch, dass sie in den USA keine Zulassung erhielten - anders in Europa und der Schweiz.
Mit slowakischem Professorentitel im Zürcher Seefeld
Der kritisierte Operateur, B.R.*, betreibt in Zürich im noblen Seefeldquartier eine Praxis und operiert als Belegarzt an der Privatklinik Pyramide. R. hat in Deutschland sein Staatsexamen gemacht und führt einen slowakischen Professorentitel.
Die «NZZ am Sonntag» weiss von «einer Reihe von Patienten», denen es nach der Behandlung schlechter ging als zuvor. Auch wurden teilweise Notoperationen nötig, weil es nach den Eingriffen zu Infektionen kam. Andere der operierten Personen leiden aufgrund des Eingriffs unter massiven Dauerschmerzen. Doch R. wird nicht nur von seinen Patienten kritisiert. Auch Berufskollegen sparen nicht mit Vorwürfen.
«Inakzeptable Fehler»
Sie werfen R. unter anderem vor, Bandscheibenprothesen auch dann zu implantieren, wenn dies nicht angezeigt sei. So habe R. selbst in versteifte und eigentlich ausbehandelte Wirbelsäulensegmente Prothesen eingesetzt, sagt Martin Bauer, der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für spinale Chirurgie, gegenüber der NZZaS. Viele Kollegen hätten schon Problemfälle von R. nachbehandeln müssen.
Einer der Nachbehandler war Wirbelsäulenchirurge Hans-Jörg Leu von der Klinik Hirslanden. Die Arbeit seines Kollegen R. nennt Leu im Artikel einen «unter keinem Titel akzeptablen Fehler». In dem von ihm nachbehandelten Fall sei mit einer Prothesen schlicht kein Behandlungserfolg zu erzielen. R. sei grundsätzlich einer von ganz wenigen Operateuren, die Prothesen als Mittel der Wahl anpriesen und einsetzten.
Christian Gerber wiederum, der sich als Operateur am Universitätsklinik Balgrist einen Namen gemacht hat, leitete vor Jahren Informationen an die zürcherische Gesundheitsdirektion weiter, mit denen er R. die Eignung für seine Tätigkeit absprach. Dennoch erhielt der aus Deutschland stammende R. 2010 die Berufsausübungsbewilligung.
Weitere massive Vorwürfe
R. ist weiter auch wegen dem Vorwurf in Misskredit gefallen, er stelle überrissenen Honorarforderungen. Die NZZaS zitiert einen Patienten, der das Konsultationsgespräch bei R. als eine Verkaufsshow bezeichnet. Der Arzt habe ihm zuletzt vorgeschlagen, die Operation in Deutschland vorzunehmen. Preis: 70'000 Franken, verhandelbar. Der Patient habe daraufhin den Arzt gewechselt.
Die Fachgesellschaft Swiss Orthopaedics hat R. wegen seinen Honoraren in diesem Jahr den sogenannten Zitronenpreis verliehen. Die Fachgesellschaft verleiht diesen Schmähpreis jährlich an Berufskollegen, die sich «nicht standeskonform oder unkollegial» verhielten. R. selbst ist nicht Mitglied der Fachgesellschaft. 2011 hat er sich gemäss der NZZaS um eine Mitgliedschaft beworben - die notwendigen Dokumente gemäss der Geschäftsführerin im Anschluss aber nie eingereicht.
Arzt und Klinik weisen Vorwürfe zurück
Gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagt die Klinik Pyramide, sie habe keine Kenntnisse von Komplikationen bei Operationen von R. Auch der Chirurg selbst weisst die Vorwürfe zurück. Nachoperationen könnten aus verschiedenen Gründen notwendig sein und gehörten zu den typischen Komplikationen jeder Operation, wird er zitiert. Er kläre zudem alle seine Patienten über Chancen und Risiken auf.
Auf seiner Webseite wirbt R. derweil weiter mit dem Slogan: «Die Bandscheibenprothese- Eine [sic] Erfolgsgeschichte».
* Name der Redaktion bekannt.