«Es ist für uns fast unmöglich, einen ausgewogenen und rechtlich korrekten Entscheid zu fällen, wenn Ärzte eine Kostengutsprache für Gentherapien verlangen», beklagte sich der Direktor der Krankenkasse SLKK Peter M. Sieber unlängst in der Zeitschrift «Gesundheitstipp». Der Leiter der kleinen, rund 20’000 Versicherte zählenden Kasse konstatiert «Entweder bedrängen uns die Hersteller der Medikamente, die Patienten oder die Aufsichtsbehörden. Die Folge: Die Prämienzahler müssen sehr teure und oft nutzlose Therapien finanzieren.»
Teure Blutkrebs-Therapien Kymriah und Yescarta
Konkret geht es bei diesen Therapien derzeit vor allem um die so genannten CAR-T-Therapien. Derzeit sind in der Schweiz Kymriah von Novartis und Yescarta von Gilead zugelassen. Sie werden zur Behandlung von Blutkrebs eingesetzt. Wie gut sie langfristig wirken, ist noch nicht klar belegt. Doch deren Preise sind immens: Mehrere 100'000 Franken pro Dosis, wie Sabine Betschart, Mediensprecherin der CSS-Versicherungen gegenüber Medinside sagt.
Das bringt nicht nur kleine Versicherer wie die SLKK an ihre Grenzen. Einen Preis zu vereinbaren, ist auch für eine grosse Kasse wie die Helsana mit ihren rund 900'000 Versicherten «zunehmend eine Herausforderung», wie deren Sprecherin Dragana Glavic-Johansen gegenüber Medinside einräumt.
Verhandlungen über geheimen Preis
Offenbar feilscht eine Verhandlungsdelegation der Schweizer Krankenversicherer und Spitäler für jede einzelne Therapie mit den Herstellern um deren Preis. Der ausgehandelte Preis bleibt aber geheim. Nur so erhalte die Schweiz Zugang zu den CAR-T-Zelltherapien zu einem rabattierten Preis, heisst es beim BAG. Mit anderen Worten: Ohne Geheimhaltungsvertrag erhält die Schweiz keine Rabatte von den Herstellern.
Das Problem wird sich künftig noch verschärfen. Sabine Bettschart rechnet damit, dass schon ab nächstem Jahr neue Therapien gegen weitere Krebsarten auf den Markt kommen könnten. Dann müssen die Krankenkassen wieder an den Verhandlungstisch.
CSS prüft Gesuche innert zwei bis drei Tagen
Auch die Gesuche um Kostengutsprachen werden zunehmen, wenn mehr Therapien verfügbar sind. Die CSS hat in den letzten drei Jahren rund 40 Gesuche bearbeitet. Einzelne seien abgelehnt worden, sagt Bettschart. «Doch wir haben mit den Ärzten und Versicherten Lösungen gefunden.» Die CSS behandelt die Anfragen nach eigenen Angaben schnell, die Prüfung dauere zwei bis drei Tage.
Die Krankenkassen sind gegenwärtig vor allem in zwei Punkten unter Druck:
Einerseits wegen der Geheimniskrämerei um den Preis. Der Preisüberwacher hat vor anderthalb Jahren kritisiert: Mit den geheimen Rabatten könnten die Hersteller die Zahlungsbereitschaft der einzelnen Länder optimal abschöpfen und so ihren Umsatz und Gewinn steigern. Und er machte klar: «Preisdifferenzierung nach Land ist sicher nicht im Interesse der Schweiz. Dank der hohen Schweizer Kaufkraft müssen wir sonst für identische Medikamente mehr bezahlen als andere europäische Länder.»
Andererseits wegen des oft unklaren Nutzens der neuen Medikamente. Der Preisüberwacher stellte fest: «Leider sind viele neue Medikamente nicht besser als ältere.» Und vor allem entspreche der hohe Preis oft nicht dem geringen Nutzen der Therapie. Eine seriösere Prüfung neuer Medikamente sei wichtig. Vor allem müssten die Hersteller von Medikamenten mit unklarem Nutzen zuerst weitere Nachweise erbringen, bevor die Medikamente zugelassen werden oder bleiben.
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