Krankenkassen sind erfreut, dass Pflegepersonal keinen Sonderstatus erhält

Pflegefachleute besserzustellen sei unnötig, teuer und gefährlich, finden die Krankenversicherer.

, 27. Mai 2020 um 07:43
image
  • pflege
  • versicherer
  • politik
  • pflegeinitiative
  • pflegefinanzierung
«Die Pflege ist für ein funktionierendes Gesundheitswesen zentral», hält der Krankenkassenverband Santésuisse in einer Mitteilung fest. Keine überraschende Festststellung. Der Schluss, den der Verband daraus zieht, ist allerdings ungewöhnlich: Genau deshalb – weil sie eben zentral sind - sollten Pflegefachleute nicht bessergestellt werden. Das sei «unnötig, teuer und gefährlich».

Unkontrollierbare Mengenausweitung?

Ursprünglich wollte der Nationalrat für Pflegefachpersonen einen Sonderstatus schaffen: Sie hätten mehr Kompetenz erhalten beim Abrechnen ihrer Leistungen. Einfachere Pflege könnten sie an weniger gut qualifiziertes Personal delegieren. Die Gesundheitskommission des Ständerats befürchtet aber, dass das Pflegepersonal dann auch mehr Leistungen in Rechnung stellen würde.
Santésuisse ist deshalb froh, dass die Kommission künftig bloss jene Pflegefachpersonen, Spitexorganisationen und Pflegeheime so abrechnen lassen will, die mit den Krankenversicherern vorgängig eine Vereinbarung abgeschlossen haben. Das sei eine «Sicherung gegen unkontrollierbare Mengenausweitungen.»

Genug Personal und ein Lohn mit guten Mittelfeld

Santésuisse fürchtet, dass die Pflege in den kommenden Jahren so oder so Milliarden von Franken mehr kosten werde. Und zwar nicht nur deshalb, weil die Zahl der älteren Menschen zunehme.
Die Schweiz habe im Vergleich mit anderen Ländern bereits jetzt überdurchschnittlich viel Pflegepersonal im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Und dieses Personal habe Löhne «im guten Schweizer Mittelfeld».

Ernüchterung beim Berufsverband

Ganz anders als Santésuisse bewertet der Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) den Entscheid der Ständeratskommission: «Ernüchternd» sei er, teilt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des SBK, mit. Weil die Pflegefachpersonen nur dann mehr Kompetenzen beim Abrechnen erhalten sollen, wenn sie mit den Krankenkassen eine Vereinbarung abschliessen, komme das einer Aufhebung des Vertragszwangs gleich, kritisiert der SBK.
Yvonne Ribi vermisst im Entscheid der Kommission ausserdem jene Massnahmen, die dafür sorgen sollen, dass die ausgebildeten Pflegenden länger im Beruf bleiben. «Aktuell steigen 46 Prozent der Pflegenden während dem Erwerbsleben aus dem Beruf aus, die meisten wegen emotionaler Erschöpfung», sagt Yvonne Ribi.

Für die Ausbildung gibt es 100 Millionen Franken mehr

Immerhin: Die ständerätliche Gesundheitskommission will unter dem Eindruck der Corona-Pandemie nun doch 100 Millionen Franken zusätzlich für die Ausbildung des Pflegepersonals bewilligen, wie Medinside hier berichtete. Eine Ausbildungsoffensive allein reiche jedoch nicht, wenn fast die Hälfte wieder aus dem Beruf aussteigt, führt Yvonne Ribi ins Feld. Und: «Ein Rückzug der Initiative scheint immer weiter weg zu rücken.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Das sind die ersten 4 von 16 geplanten Kostendämpfern fürs Gesundheitswesen

Apotheken und Hebammen sollen mehr Kompetenzen erhalten. Ausserdem müssen die Kantone faire Referenztarife für ausserkantonale Behandlungen festlegen.

image

Nun lässt der Bund das Kostenwachstum bei den Krankenkassen-Leistungen überwachen

In einem Monat beginnt die Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring EKKQ, die Preisentwicklung im Gesundheitswesen zu beobachten.

image

Pflege: Fatales Signal aus den USA

Die Regierung in Washington streicht Nursing aus der Liste der höheren Abschlüsse.

image

Prio.Swiss: Felix Gutzwiller ist sein eigener Nachfolger

Im Sommer suchte der Krankenkassen-Verband noch einen neuen Präsidenten. Nun verlängert er das Präsidium von Felix Gutzwiller auf unbestimmte Zeit.

image

Solothurn: Brücke in den Schweizer Pflegealltag

Ein gemeinsames Programm der Solothurner Spitäler und der Volkshochschule soll ausländischen Pflegefachkräften den Einstieg erleichtern. Es kombiniert Sprachförderung, Weiterbildung und praktische Einsätze.

image

«Ich verstehe die Ungeduld der 200'000 Pflegefachleute im Land»

Heute gehen Pflegekräfte in Bern auf die Strasse: Sie fordern die konsequente Umsetzung der Pflegeinitiative. Auch GLP-Nationalrat und Pflegefachmann Patrick Hässig ist dabei.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.