Soll eine Therapie mit starken Nebenwirkungen fortgesetzt werden, obschon keine Chance auf Heilung besteht? Wie gehen wir damit um, wenn behandelnde Ärzte unterschiedliche Meinungen vertreten? Mit solchen und ähnliche Fragen beschäftigen sich in Spitälern und Kliniken die Ethikfachstellen.
48 Prozent der Akutspitäler
Dabei zeigt sich eine deutliche Zunahme der Ethikangebote. Laut der 2014 durchgeführten Umfrage haben 42 Prozent der Kliniken eine Ethikstruktur, bei den Akutspitälern sind es 48 Prozent. Wie sehr das Thema um sich greift, zeigt die Tatsache, dass etwa die Hälfte der Fachstellen seit weniger als fünf Jahren bestehen.
Alle sehr grossen Kliniken mit mehr als 600 Betten verfügen über ein Ethikangebot. Bei Häusern mit 300 bis 599 Betten sind es drei Viertel, bei 100 bis 299 Betten knapp die Hälfte, bei weniger als 100 Betten knapp ein Viertel.
«Ethikstrukturen an Akutspitälern, Psychiatrischen Kliniken und Rehabilitationskliniken der Schweiz» - Dritte, erweiterte Umfrage der SAMW, November 2016Interdisziplinäre Ethikkommissionen
In der Regel handelt es sich um Ethikkommissionen, die interdisziplinär zusammengesetzt sind. Neu ist, dass fast ein Viertel der Ethikstrukturen mit einer von der Klinik fest angestellten Ethikfachperson ausgestattet sind. «Die ethische Unterstützung durch den Beizug von institutionsexternen Fachpersonen hat stark abgenommen», heisst es dazu in der Studie.
Auch das Rollenverständnis hat sich geändert: Der Anteil der Fachstellen, die nicht nur beraten, sondern ihre Aufgabe auch darin sehen, im Einzelfall einen Entscheid zu fällen, ist stark gestiegen und liegt nun bei 50 Prozent.
Manager sind auch vertreten
Die durchschnittliche Ethikkommission zählt 11 Personen. Spezialisten aus Medizin und Pflege sind praktisch immer vertreten. Hinzu kommen sehr oft Ethikerinnen, Spitalseelsorger, Theologen und Juristinnen, aber auch das Management hat in zwei Dritteln der Fälle Einsitz.
Die wichtigste Aufgabe liegt in der Beratung von Einzelfällen. Daneben haben weitere Aufgaben an Bedeutung gewonnen, etwa das Anbieten von Aus- und Weiterbildungen, die Erarbeitung klinikinterner Richtlinien und die Beratung des Managements.
Viele Konfliktfelder
Zu den häufigsten Aufgaben der Ethikkommissionen gehören:
- Schwierige Entscheide bei der Unterlassung oder dem Abbruch von Therapiemassnahmen
- Fragen im Zusammenhang mit Patientenverfügungen
- Probleme bei der Umsetzung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts
- Künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr
- Wertekonflikte im Team
- Notfallentscheidungen (Beatmung / Reanimation)
- Umgang mit kognitiv eingeschränkten Patienten
- Unsicherheiten im interkulturellen Kontext
- Zwangsmassnahmen
- Konflikt mit Angehörigen
- Konflikt mit/zwischen Ärzten und/oder Pflege
- Konflikt mit Patienten
- Pflichten der Behandelnden
- Sterbehilfe
Aus- und Weiterbildung gefragt
Besonderes Augenmerk gilt derzeit der Aus- und Weiterbildung in Ethik und Qualitätssicherung. Die Daten zeigen, dass weniger als die Hälfte der Ethikstellen von ihren Mitgliedern eine Aus- und Weiterbildung in Ethik verlangt. Es gibt kein nationales Ausbildungsprogramm in klinischer Ethik. Eine von der SAMW eingesetzte Kommission erarbeitet Empfehlungen für die Ethik-Ausbildung angehender Health Professionals sowie die Weiterbildung in ethischem Wissen und Können für die Berufspraxis.
In den USA Pflicht
Ein Blick auf die internationalen Gepflogenheiten zeigt, dass das Thema Ethik virulent bleiben wird. In den USA sind gemäss SAMW Ethikstrukturen für die Akkreditierung von Spitälern mittlerweile sogar vorgeschrieben.