Thomas Lüscher, der ehemalige Leiter der Kardiologie am Zürcher Unispital (USZ), kritisiert das Krisenmanagement der Spitalleitung im Fall rund um den Herzchirurgen Francesco Maisano. «Der Spitalratspräsident Martin Waser hat dies aus meiner Sicht nicht gut gemacht», sagt er in einem grossen Interview mit dem Magazin «Republik».
Die ganze Angelegenheit um das «Whistleblowing» gegen Maisano war sicher eine grosse Herausforderung, glaubt der bekannte Kardiologe. Das wolle er nicht unterschätzen. Der Professor, der heute in London tätig ist, hätte sich aber wohl um eine raschere Aufarbeitung bemüht. «Betraut hätte ich eine Kommission aus Fachleuten, keine Anwaltskanzlei». Man müsse wissen, worum es in diesen Disziplinen gehe.
Nicht voreilig Konsequenzen ziehen
Der Spitalrat unter der Leitung von Martin Waser hätte die Öffentlichkeit zudem darüber orientieren müssen, dass er die Sachverhalte noch nicht umfassend und fair beurteilen könne. Bis zum Abschluss der Untersuchungen hätte sich der Spitalrat laut Lüscher hinter Francesco Maisano stellen müssen.
Man müsse zwingend warten, bis die Ergebnisse vorlägen. «Vor allem darf man nicht Partei ergreifen, nur weil die Medien Druck machen», sagt Lüscher im Interview mit der «Republik» weiter. Ein Unternehmen dürfe niemanden entlassen, bevor das Ausmass der Schuld bestimmt wurde.
Lüscher findet es zudem fragwürdig und schlimm, dass der «Whistleblower» zuerst rausgeworfen und dann wieder eingestellt wurde. «Das machte alle völlig unglaubwürdig.» Wenn man jemandem während Jahren immer wieder gute Zeugnisse ausstelle und ihn dann plötzlich fallen lasse, dann habe die Institution ein Glaubwürdigkeitsproblem.
«Viele Ärzte und Forscher haben Angst»
Klar ist für den ehemaligen Leiter der Kardiologie am Zürcher Unispital, dass der Ruf des USZ durch die Vorkommnisse massiv gelitten habe – in der Öffentlichkeit genauso wie in der internationalen Szene. Denn in der internationalen Herzmedizin-Community wurde der Fall Maisano breit debattiert: Lüschers Kollegen aus der ganzen Welt fragten ihn, was das für eine «vergiftete Atmosphäre» in Zürich sei?
Das Universitätsspital Zürich hat nebst der Abnahme der Zuweisungen wohl auch an Attraktivität bei jungen Ärztinnen verloren, wie Lüscher schliesslich sagt: «Es gibt einen Kollateralschaden für die gesamte Schweizer Medizin». Viele Ärzte und Forscher haben ihm zufolge nun Angst, in irgendeiner Weise mit der Industrie in Verbindung gebracht und in die Medien gezerrt zu werden. Der Professor bezeichnet die enge Zusammenwirkung zwischen der Forschung und der Industrie allerdings als «essenziell» und zum Wohl der Patienten.