«Klatschen allein genügt nicht»

Am Freitagmittag wurde das Gesundheitspersonal beklatscht. Das freut dieses zwar: Dringend nötig seien aber auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Löhne.

, 20. März 2020 um 10:05
image
Am Freitagmittag hat die ganze Schweiz dem Gesundheitspersonal eine Minute lang applaudieren. Dazu wurde unter dem Hashtag #DieSchweizSagtDANKE augerufen. So rief beispielsweise die 10vor10-Moderatorin Susanne Wille zum Klatschen auf.

 

«Sehr schönes Zeichen» in schwierigen Zeiten

Für die derzeit massiv geforderten Mitarbeitenden im Gesundheitswesen kommt der öffentliche Support zur richtigen Zeit. Dennoch: So einige der Beklatschten hören den Applaus mit gemischten Gefühlen. Ein Altenpfleger aus Deutschland (wo ebenfalls eine solche Dankesaktion stattfand) drückte es am Donnerstag auf Twitter so aus:
Wir Pflegekräfte brauchen keine Klatscherei. Wir wollen auch keine Merci, Schokolade & warme Worte! Wir brauchen 4000€ brutto, mehr Personal, Gefahrenzulagen und ein entprivatisiertes Gesundheitssystem! Macht Mal lieber mit uns Arbeitskampf!
Und in der Schweiz? Nachfrage bei Meret Schindler. Die diplomierte Pflegfachfrau und Sekretärin vom VPOD sagt, die Klatschaktion sei ein «sehr schönes Zeichen».
image
Meret Schindler. | zvg/Twitter
«Damit wird der grosse Einsatz des Reinigungspersonal, das die Räume und Betten desinfizieren muss, des Hilfspersonals, des gelernten und diplomierten Pflegepersonals, der Ärzteschaft und aller anderen Berufsgruppen honoriert».

«Fachkräftemangel wegen tiefen Löhnen»

Dennoch reiche der Applaus nicht aus. «Denn der Druck auf das Gesundheitspersonal ist auch sonst gross», sagt Schindler. Dies auch, weil zu wenig Personal ausgebildet werde und die Betreuungsschlüssel auf den Stationen zu klein seien. «Aktuell sind viele Gesundheitsberufe schlicht zu wenig attraktiv.» Als Gegenmassnahme fordert Schindler deshalb unter anderem auch mehr Lohn.
«Heute verdient eine studierte Pflegefachperson so viel wie ein Bauarbeiter nach einer dreijährigen Lehre.» Pflegefachpersonen mit einer Berufslehre verdienten derweil massiv weniger. Es gehe ihr nicht darum, Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen, sagt Schindler. Fakt sei aber, dass im Gesundheitswesen viele Löhne klar zu tief seien. «Das muss sich ändern». Sonst fehlten im Gesundheitswesen schon bald noch mehr Fachkräfte.
Schon heute seien diese knapp. Im Alltag habe dies zur Folge, dass die Pflegefachpersonen häufig in der Praxis nicht das umsetzen könnten, was sie gelernt hätten. Das sei für diese frustrierend und trage dazu bei, dass diplomierte Pflegefachpersonen im Schnitt nur dreizehn Jahre im Beruf verweilten. Dies verschärfe den Personalmangel zusätzlich massiv.

Tiefe Gesundheitskosten zulasten der Frauen

Schindler macht sich keine Illusionen: Die Lohnerhöhungen werden etwas kosten. «Alle die behaupten, dass das Gesundheitswesen billiger wird, lügen». Heute seien die kosten künstlich tief, sagt Schindler. Dies zulasten des vor allem weiblichen Gesundheitspersonals. Frauen leisteten in unserer Gesellschaft viel Gratisarbeit - etwa in der Betreuung und der Pflege von Angehörigen. Im Gesundheitswesen sei diese mehrheitlich von Frauen geleistete Gratisarbeit einfach institutionalisiert worden.
Schindler fordert deshalb, dass branchenübergreifende Arbeitsplatz- und Lohnanalysen gemacht werden. Mit diesen solle der effektive Wert der von den Gesundheitspersonen geleisteten Arbeit bestimmt werden. Und ja, dann müssten die Löhne steigen. Sonst bringe auch alles Klatschen nur sehr kurzfristig etwas.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ein Walliser wird Chefarzt am Inselspital

Der Nachfolger von Klaus Siebenrock als Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie heisst Moritz Tannast.

image

Basel: Adullam-Stiftung engagiert Jörg Leuppi

Der CMO des Kantonsspitals Baselland wird Stiftungsrat bei der Organisation für Altersmedizin.

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

image

...und auch das Stadtspital Zürich reiht sich ein

Es verzeichnet einen Verlust von 39 Millionen Franken.

image

Efas: Das Referendum ist am Ziel

Das Volk wird voraussichtlich im September über die neue Gesundheits-Finanzierung abstimmen.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.