Journalisten wegen Vorwürfen gerügt

Weil sich der Herzchirurg Francesco Maisano vom «Tagesanzeiger» ungerecht behandelt fühlte, beschwerte er sich beim Presserat. Mit Erfolg.

, 28. April 2021 um 04:00
image
  • spital
  • universitätsspital zürich
  • francesco maisano
  • zürich
Das wollte Francesco Maisano nicht auf sich sitzen lassen: Letztes Jahr publizierten der «Tages-Anzeiger» und die «Sonntagszeitung» mehr als 30 Artikel im Zusammenhang mit dem damaligen Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Zürcher Universitätsspital (USZ).

«Unfaire Kampagne»

Immer wieder befassten sich die Zeitungen mit den Vorwürfen gegen Maisano. Den Fall ins Rollen brachte Ende Dezember 2019 ein Whistleblower. Er erhob damals schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgesetzten Maisano. Das USZ beauftragte daraufhin eine Anwaltskanzlei damit, die Anschuldigungen zu untersuchen.
Der beschuldigte Maisano beschwerte sich letzten Oktober beim Schweizer Presserat darüber, dass Journalistinnen und Journalisten des «Tages-Anzeigers» und der «Sonntagszeitung» eine einseitige, unfaire und ehrverletzende Medienkampagne gegen ihn geführt und die Fakten einseitig wiedergegeben hätten. Sie hätten Entlastendes ausgelassen und Informationen unterschlagen.

Ein Kommentar mit schweren Vorwürfen

Konkret beanstandete Maisano drei Artikel, unter anderem einen Kommentar mit dem Titel «Der Whistleblower wurde verheizt». Maisano kritisierte, dass mehrere Aussagen in diesem Kommentar falsch seien, etwa: «Er verschwieg schwerwiegende Komplikationen bei Eingriffen mit Implantaten», «er klärte die Kranken ungenügend über Risiken auf», «in Patientendokumentationen herrschte ein Chaos».
Diese Vorwürfe stammen ursprünglich aus dem Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei. Dass das nicht unmittelbar klar wird, liess der Presserat als «handwerkliche Ungenauigkeit» durchgehen.

Maisanos Haltung nirgends erwähnt

Doch die Journalisten des «Tages-Anzeigers» haben einen anderen Fehler gemacht: Sie haben nach Ansicht des Presserats Maisanos Haltung zu diesen Vorwürfen nicht genügend zur Geltung gebracht. Obwohl sie das ohne weiteres hätten tun können. Denn Maisano hatte zu diesen Vorwürfen schon früher Stellung genommen.
Er sagte, dass keine Komplikationen verschwiegen worden seien, dass die Patienten allesamt korrekt aufgeklärt worden seien und es nie ein Patientenchaos gegeben habe. Das hätte im Kommentar nochmals erwähnt werden müssen. Deshalb hiess der Presserat die Beschwerde Maisanos zumindest zum Teil gut und rügte den «Tagesanzeiger» für die fehlende Stellungnahme.

Medinside kritisierte den «Tagi» ebenfalls

Auch Medinside tadelte die einseitige Berichterstattung des «Tagesanzeigers» in einem Beitrag. Und zwar, nachdem der «Tages-Anzeiger» umgekehrt Medinside Mängel in der Berichterstattung über Francesco Maisano vorgeworfen hatte.
Die Vorwürfe gegen den Herzchirurgen Francesco Maisano haben sich inzwischen in Luft aufgelöst, wie Medinside hier berichtete. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat das Strafverfahren gegen Francesco Maisano eingestellt. Der Vorwurf der Urkundenfälschung und Datenbeschädigung gegen ihn hatte sich nicht bestätigt.

Maisano in Mailand

Francesco Maisano hat das USZ mittlerweile verlassen und ist seit März Leiter des Herzklappen-Zentrums am Mailänder Spital San Raffaele. Der 55-jährige gebürtige Fiorentiner war schon zwischen 1997 und 2009 am San-Raffaele-Spital tätig.

Diesen Kommentar im «Tagesanzeiger» hat der Presserat gerügt:

image
Kommentar im «Tagesanzeiger» | Screenshot Tagesanzeiger online
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

GZO Spital Wetzikon: Querschüsse vor der Abstimmung

Offenbar kritisiert die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli kurz vor der Abstimmung mangelnde Transparenz der Spitalleitung und bekräftigt: Unterstützung vom Kanton gibt es nicht.

image

Spital Männedorf will sich Zukunft mit Mietwohnungen sichern

Das Spital baut eine Villa um und vermietet sie an Gutbetuchte. Die Mieteinnahmen gehören zur Finanzstrategie.

image

Die neue CEO des Spitals Bülach kommt vom Basler Universitätsspital

Sabrina Gänsbacher wird im Juni die Nachfolgerin von Doris Benz im Spital Bülach.

image

Pharmagelder 2024: Zuwendungen an Schweizer Ärzte steigen leicht

2024 erhielten Ärzte, Spitäler und Fachgesellschaften zusammen 262 Millionen Franken – 16 Millionen mehr als im Jahr davor.

image

Universitätsmedizin bleibt Männersache – trotz Lippenbekenntnissen

In der Westschweiz liegt der Frauenanteil in Top-Arztpositionen höher als in der Deutschschweiz. Eine neue Auswertung der Universitätsspitäler zeigt regionale Unterschiede – und ein nach wie vor tiefes Gesamtniveau bei den Spitzenpositionen.

image

Kispi: Das Problemkind ist Publikumsliebling

Das neue Kinderspital Zürich sorgt nach viel Kritik für positive Schlagzeilen: Die Stadt Zürich ehrt das Gebäude mit der «Auszeichnung für gute Bauten». Hinzu kommt der Publikumspreis 2025.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.