Globalbudgets: «Die Profiteure sind die ersten, die sich melden»

Über die Reaktionen auf die neusten Ideen von Gesundheitsminister Alain Berset.

, 26. Oktober 2017 um 09:27
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Das ging schnell. Kaum hatte Alain Berset gestern sein Paket zur Dämpfung der Gesundheitskosten vorgestellt, da meldeten sich auch schon FMH, H+, SPO, Santésuisse, Pharmasuisse und Interpharma zu Wort. Gemeinsame prangerten sie eine spezifische Idee aus dem Paket an – die Idee des Globalbudgets.
Der geballte Auftritt der Grossverbände im Gesundheitswesen lässt ahnen, wie heikel dieser Punkt ist. Und damit steht – kritisch betrachtet – stark die Frage im Raum, ob die Politik besagte Idee am Ende auch wirklich umzusetzen wagt.
Positiv deutete Verena Diener die Einheitsreaktion der Schweizer Health Player: Ja, die ehemalige Zürcher Gesundheitsdirektorin, SoH-Präsidentin und Leiterin von Alain Bersets Expertengruppe fühlte sich geradezu bestärkt: «Wir scheinen genau den richtigen Punkt ins Zentrum gestellt zu haben: Die Profiteure im jetzigen System sind die ersten, die sich zu Worte melden», sagte sie in der SRF-Radiosendung «Echo der Zeit»
Solange es noch so viel Luft im System habe, bleibe die Gefahr gering, dass die Patienten ernsthaft unter einem Kostendeckel leiden müssten. Dabei nannte Verena Diener ebenfalls eine Quote von 20 Prozent der Gesamtkosten, die sich schmerzlos streichen liessen – etwa zu teure Medikamente oder nicht begründbare Behandlungen.
In den sozialen und den grossen Medien zeigte sich denn auch rasch, dass Bersets Idee ihre Anhänger gewinnen dürfte. 
Grundsätzlich positiv äusserte sich beispielsweise die «Neue Zürcher Zeitung»: Man habe ja in den Spitalsystemen einiger Kantone bereits Anschauungsunterricht für Chancen und Probleme des Globalbudgets. «Kommt die Politik zum Schluss, dass bei einer Einführung auf nationaler Ebene die Nachteile überwiegen, braucht es den Übungsabbruch. Doch einen Versuch ist es wert.»

«Selbstlüge des freiheitlichen Gesundheitssystems»

Der Aufschrei der «Lobbys von Ärzten, Spitälern, Krankenkassen und der Pharmabranche» dürfe für doe Politik «kein Grund sein, auf eine Prüfung einer Ausgabenbremse zu verzichten», so der NZZ-Kommentar weiter. Allerdings: «Die Warnungen der Verbände gilt es aber ernst zu nehmen: Ein System, das für die Patienten gravierende Rationierungen bringt, ist nicht mehrheitsfähig und stünde einem der wohlhabendsten Länder schlecht an.»
Auch die «Aargauer Zeitung» nahm den Fall vor allem zum Anlass, die zitierten Lobbys zu kritisieren. Offenbar sei es an der Zeit, dass der Staat eingreifen und Regeln aufstellen muss, indem er Globalbudgets diktiert und neue Entschädigungssysteme auferlegt. «Auch wenn nicht alle 38 Massnahmen der Experten sich als sinnvoll erweisen: Klar ist, dass die Selbstlüge des freiheitlichen Gesundheitssystems entlarvt ist.»
Der «Bund» und der «Tages-Anzeiger» kommentierten ebenfalls Pro-Globalbudget: Geschickt eingesetzt, könnte das Mittel den nötigen Druck auf die Akteure des Gesundheitswesen schaffen, um sich auf ein vernünftiges Kostenwachstum zu einigen. Jedenfalls sei es zu früh, wenn die Gegner bereits jetzt den Teufel an die Wand malen und von Rationierung und Zweiklassenmedizin sprechen.
«Die heftige Reaktion in einem so frühen Stadium lässt die Erwartungen an die Umsetzung der Vorschläge gegen null schrumpfen. Sie verstärkt gleichzeitig den Eindruck, dass die verschiedenen Akteure lieber auf Vorrat Nein sagen, statt sich an konstruktiven Lösungen zu beteiligen. Das ist bedauerlich.»
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