Geht doch: Chefarzt-Stelle im Jobsharing ausgeschrieben

Vor zehn Jahren galten solche Lösungen noch als tabu, jetzt wagt das Kantonsspital Münsterlingen einen Versuch damit.

, 5. Oktober 2015 um 14:39
image
Das Inserat führt ans Ufer des Bodensees: Im Kantonsspital Münsterlingen, Kanton Thurgau, wird eine Chefärztin oder ein Chefarzt für die Frauenklinik gesucht: «Gynäkologie & Geburtshilfe 100%», heisst es im Titel – und dann folgt ein fast schon historischer Zusatz: «oder 2 Ärzte/Ärztinnen im Job-Sharing».
Gewiss, dass auch Kaderarzt-Stellen in Teilzeit-Positionen besetzt werden, ist nicht ganz neu. 80-Prozent-Chefärzte hat es schon seit einigen Jahren (einige Beispiele sind hier beschrieben), und am Basler Claraspital teilen sich beispielsweise zwei Oberärztinnen eine Stelle in der Visczeralchirurgie im Jobsharing-Modell: Sie wechseln sich wochenweise ab
Weitherum bekannt wurde auch das Beispiel der Gynäkologinnen Brida von Castelberg und Stephanie von Orelli, die sich eine Zeitlang die Verantwortung an der Spitze der Maternité des Zürcher Triemli-Spitals teilten. 

Aus der Not oder dem Wunsch geboren

Doch diese Lösungen wurden entweder aus der Not oder dem Drängen der Betroffenen geboren. Speziell beim Kantonsspital Münsterlingen ist nun, dass die Möglichkeit gleich in die Stellenausschreibung eingebaut wird. 
Das Akutspital, zur Spital Thurgau AG gehörend, hat bislang noch keine Chefarzt-Positionen im Jobsharing – allerdings sei man schon länger offen dafür, so Marc Kohler, der CEO der Thurgauer Spitalgruppe. Konkret so klar inseriert habe man das jedoch bislang noch nicht: «Es ist ein Versuch.»

«Chefärztin / Chefarzt Frauenklinik»: Zum Stelleninserat des Kantonsspitals Münsterlingen, Oktober 2015

Dabei handelt es sich um einen durchaus grossen Rahmen: Die Frauenklinik in Münsterlingen umfasst rund 18 Arztstellen, hilft bei jährlich über 1'000 Geburten, hat gegen 1'000 gynäkologische Patientinnen und verfügt über ein grosses Ambulatorium.

Gewünscht: Unternehmerische Mitverantwortung

Entsprechend hoch und breit sind die Anforderungen, die allenfalls von zwei Medizinern zugleich erfüllt werden müssten: Neben dem selbstverständlichen fachmedizinischen Hintergrund gehören auch Führungs-, Management- und Ausbildungserfahrung zum Fähigkeits-Katalog, ferner die Bereitschaft zur unternehmerischen Mitverantwortung. Eine Habilitation ist erwünscht, aber nicht Bedingung.
Der Zufall will es, dass fast zeitgleich die erste Kaderärztin pensioniert wurde, die einen Jobsharing-Versuch in einem Spital durchsetzen konnte: Brigitte Muff, zuletzt Chefärztin am Spital Bülach, hatte vor knapp zwei Jahrzehnten erstmals mit zwei Kolleginnen insgesamt zwei Oberarztstellen gesplittet. 
Damit war allerdings Schluss, sobald Muff zur Klinikleiterin avancierte: «Teilzeit für eine Chefärztin ist noch ein Tabu», stellte sie damals fest. Das war vor genau zehn Jahren.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von André Plass

Eine unabhängige Anlaufstelle garantiert mehr Qualität

Unabhängige Qualitätskontroll- und Meldezentren fürs Gesundheitswesen könnten die Patientenversorgung stark verbessern.

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.