Jürg Schlup: Steigende Bürokratie hat mit Vertrauen zu tun

Die Büroarbeit für Ärztinnen und Ärzte nimmt jedes Jahr zu – etwa im Umfang von 100 neuen Arztstellen. Dies sagt Jürg Schlup, der Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH).

, 3. Februar 2019 um 15:24
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Je mehr Bürokratie, desto weniger Zeit für die Patienten. Was das konkret in Praxen und Spitälern bedeutet, verdeutlicht Jürg Schlup in einem Interview mit der Zeitung «Sonntags Blick». «Würde man sagen: Ab morgen müsst ihr keine Büroarbeit mehr erledigen, hätte man sofort einen Drittel mehr Ärzte am Patientenbett verfügbar», sagte der Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH).
Die Büroarbeit nehme ständig zu: Jedes Jahr etwa im Umfang von 100 neuen Arztstellen. Und es werde immer schlimmer, so der 63-jährige Berner Arzt und FMH-Präsident weiter. 
Jürg Schlup bringt auch gleich ein Beispiel: Wenn die Krankenversicherung frage: «War diese Untersuchung oder Behandlung notwendig? Bitte begründen Sie», dann verursache das viel Arbeit. «Man muss die Akten studieren, eine Antwort formulieren und so weiter», erklärt Schlup. Das habe auch mit Vertrauen zu tun. Und die Dokumentationsflut, die verlangt werde, deute darauf hin, dass das Vertrauen in die Ärzteschaft abgenommen habe. 

«Kinder sollten von Krankenkassenprämien befreit sein»

Im Interview fordert Jürg Schlup auch, «dass Kinder keine Krankenkassenprämien zahlen müssen.» Denn vor allem für Familien oder Alleinerziehende könnten Prämien zu einer grossen Belastung werden. Wenn die Prämien zehn Prozent des Haushaltseinkommens überschreiten, sollten ihm zufolge Prämienverbilligungen geprüft werden. 
Insofern begrüsse die FMH das Urteil des Bundesgerichts von dieser Woche, wonach auch der Schweizer Mittelstand gewissen Anspruch auf Prämienentlastung habe.
Schlup erklärt im Interview weiter, wie die Kosten im Gesundheitswesen nebst der gleichen Finanzierung für stationär und ambulant sonst noch sinken könnten. Man müsse auch den Leistungskatalog der Krankenkassen überprüfen. «Für das Wohlergehen der Patienten sind nämlich nicht alle Leistungen gleich wichtig». Er nennt als Beispiel ästhetisch störende Krampfadern. Hier könne man diskutieren, ob das selber bezahlt werden müsse.
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