Der Bruch zwischen dem Kantonsspital Aarau (KSA) und seinem Chefarzt der Neurochirurgie sorgt weiterhin für Irritation. Der Grund, warum Javier Fandino bei der Spitalleitung in Ungnade gefallen ist, entzieht sich Aussenstehenden. Es wurde Stillschweigen vereinbart, was wiederum Gerüchten und Spekulationen viel Auftrieb gibt.
Medizinisch habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen, sagt das KSA offiziell. Aber: Die Trennung erfolge nicht grundlos. Ehemalige Arbeitskollegen des Chefarztes
vermuten persönliche Differenzen und Kommunikationsschwierigkeiten als Auslöser. Dies bestätigt Javier Fandino in einem Brief an seine Kollegen der Schweizerischen Gesellschaft für Neurochirurgie.
OP-Video aus Haftpflichtfall ausgerechnet verschwunden
Von Interesse im Zusammenhang mit Fandinos sofortiger Freistellung ist nun auch ein laufendes Haftpflichtverfahren,
wie die «Aargauer Zeitung» aufdeckt. Dabei geht es um mutmassliche ärztliche Fehler eines ehemaligen Arbeitskollegen von Fandino. Der Neurochirurgie-Chefarzt soll sich intern stark für eine lückenlose Untersuchung des Falls eingesetzt haben.
Ein Expertengutachten kommt nämlich zum Schluss, dass der besagte Eingriff «operations-technisch betrachtet nicht korrekt durchgeführt» wurde. Der Patient wurde von einem Tag auf den anderen zum Pflegefall. Brisant sei ausserdem: Die CD mit der relevanten OP-Sequenz ist nicht mehr auffindbar, obwohl am KSA in der Neurorchirurgie seit Jahren alle Operationen aufgezeichnet wurden, berichtet die Zeitung weiter.
KSA-Chef Rhiner verpasste Fandino einen Maulkorb
Personen, die Partei im Haftpflichtverfahren sind, vermuten laut AZ: Fandino teilt die Einschätzung des Gutachters Gerhard Hildebrandt und geht davon aus, dass die Operation seines ehemaligen Kollegen nicht «lege artis» erfolgt sei. Die Komplikation hätte möglicherweise verhindert werden können. Damit würde er sich als Klinikchef und damaliger Vorgesetzter nicht nur gegen seinen ehemaligen Mitarbeiter stellen, sondern auch gegen die Spitalleitung, für die es in diesem Haftpflichtfall offenbar um 2,5 Millionen Franken geht.
KSA-CEO Robert Rhiner wies Fandino und auch die weiteren Mitarbeitenden in der Neurochirurgie nach dem Vorfall damals an, «sich über die jeweils andere neurochirurgische Klinik oder über eine Behandlung nicht zu äussern». Darunter versteht der Spitalchef, dass weder öffentlich noch gegenüber Patienten oder Dritten «irgendetwas in irgendwelcher Form» erwähnt wird. Das Spital dementiert gegenüber der Zeitung allerdings, dass das Haftpflichtverfahren gegen den ehemaligen KSA-Arzt einen Zusammenhang mit der sofortigen Freistellung von Fandino habe. Der Arzt, gegen den auch ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung läuft, arbeitet seit dem Vorfall in einem anderen Spital.