Es ist ein hässlicher Erbstreit, über den der «Blick» berichtete: Der Neffe einer 94-jährigen Frau warf deren Hausarzt vor: «Er hat sich die Wohnung meiner Tante geschnappt!» Der Neffe ist überzeugt, dass die Wohnung in St. Moritz ihm zustehe. Er will deshalb vor Gericht durchsetzen, dass der letzte Wille seiner Tante für ungültig erklärt wird.
Seine Chancen stehen schlecht: Das regionale Gericht hat seine Klage abgewiesen. Doch der Fall zeigt: Wenn Patienten ihren Arzt, ihre Pflegerin oder ihren Pfleger als Erben einsetzen, wird es heikel.
Gültig oder nicht? Der Ermessensspielraum ist sehr gross
Sind Testamente von Personen, die ihren Arzt, ihre Ärztin oder ihr Pflegepersonal als Universal- oder Teilerben einsetzen, überhaupt gültig? Die Antwort lautet: Je nachdem. Denn es gibt einen grossen Ermessensspielraum.
So verbietet der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH) seinen Mitgliedern, dass sie von ihren Patienten grössere Geschenke annehmen. Denn solche Zuwendungen können die ärztlichen Entscheidungen beeinflussen. Umso mehr, wenn der Patient gleich eine ganze Erbschaft in Aussicht stellt.
Kein Gesetz verbietet das Beerben von Patienten
Auch Spitäler und Altersheime untersagen es ihren Angestellten, von Patienten grössere Geschenke annehmen. Nur: So generell lassen sich diese Regelungen im Streitfall nicht durchsetzen.
In der Schweiz gibt es nämlich kein Gesetz, das Ärzten, Ärztinnen und dem Pflegepersonal generell verbietet, ihre Patienten zu beerben. Es gibt nur eine gesetzliche Regelung, die festhält: Eine letztwillige Verfügung ist anfechtbar, wenn der Verfasser sich gegenüber Beeinflussungsversuchen nicht genügend wehren konnte.
Kurzfristige Testament-Änderungen sind verdächtig
Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Arzt erst kurz vor dem Ableben seiner Patientin überhaupt in Kontakt mit ihr gekommen ist und er dann innert kurzer Zeit im Testament als Erbe eingesetzt wird. Dann fragen sich die Verwandten zu Recht, ob in diesem Fall alles korrekt gelaufen sei.
Aber es gibt auch eine andere Seite. Es kommt vor – wie es auch im geschilderten Fall in St. Moritz der Fall war - dass Patienten über Jahre ein enges Verhältnis zu ihrem Arzt entwickeln und dann am Ende ihres Lebens einen Teil ihres Vermögens lieber ihrem Arzt als ihrer Verwandtschaft überlassen.
In Zürich erbte eine Pflegefachfrau - zu Recht
Auch zu Pflegefachleuten können sich solche Beziehungen entwickeln, wie ein
Fall am Spital Wetzikon vor zwei Jahren zeigte. Der «Blick» titelte damals: «Patient tot, Krankenschwester reich». Doch es zeigte sich: Der Krebspatient vermachte der Pflegefachfrau sein Haus schon drei Jahre vor seinem Tod.
Immer wieder müssen Gerichte solche Streitfälle beurteilen. Bisher ist der Bundesrat aber davor zurückgeschreckt, gesetzlich zu regeln, dass Medizinalpersonen und Pflegepersonal generell nichts von ihren Patienten erben dürfen.
Im Zweifelsfall: Erbschaft ausschlagen
Trotzdem lautet ein wichtiger Rat für Ärzte, Ärztinnen und Pflegefachpersonen: Erbschaften von Patienten und Patientinnen sollten sie im Zweifelsfall besser ausschlagen. Ausser es gäbe tatsächlich eine langjährige Beziehung. Diese muss aber belegbar sein, damit die letzte Verfügung juristisch wasserdicht ist.
Solche Ausnahmen gibt es übrigens in Frankreich nicht. Das französische Recht regelt das Erben klarer und schärfer. Dort heisst es ausdrücklich: Personen, bei denen die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses zu befürchten ist – also etwa Vormunde, Ärzte, Apotheker und sogar Geistliche – dürfen nichts erben von Personen, die sie betreuen.