Die Zählweise der Covid-Toten ist eine «Blackbox»

Niemand kann so genau sagen, wie Covid-Tote in der Schweiz gezählt werden. Das führt unter anderem dazu, dass eine internationale Vergleichbarkeit erschwert wird.

, 27. Oktober 2020 um 13:15
image
  • coronavirus
  • universitätsspital basel
  • spital
Insgesamt gibt es dieses Jahr in der Schweiz aktuell 1'914 Todesfälle im Zusammenhang mit einer laborbestätigten Covid-19-Erkrankung. Die Mehrzahl der verstorbenen Personen in der Schweiz war über 80 Jahre alt und männlichen Geschlechts: Dieses Verhältnis galt sowohl während der ersten Phase als auch aktuell.  
Bis Mitte Oktober wurden in der Schweiz bei der Altersgruppe 65+ gleichzeitig rund 47'000 andere Todesfälle registriert. 
Die Frage, ob jemand direkt «an» oder indirekt «mit» Corona und einer oder mehreren Vorerkrankungen gestorben ist, lässt sich in der Praxis nur schwierig feststellen. Eine zweifelsfreie Kausalität ist kaum herstellbar. Letztlich wird wohl erst eine Nachbetrachtung eine Antwort auf die Frage ergeben können, inwieweit Sars-Cov-2-Infektionen direkt zum Tode beigetragen haben.

Verstorbene Personen mit epidemiologischen Kriterien

Immer wieder taucht aber auch die Frage nach der Zählweise der Covid-Toten auf. Hier herrscht vielerorts Ahnungslosigkeit: Ärzte oder andere Gesundheitsprofis können die Frage, wie die Corona-Todesopfer in die Statistik einfliessen, nicht eindeutig beantworten. Und die von Medinside angefragten Spitäler wiederum halten es nicht für wichtig genug, hier Aufklärungsarbeit zu betreiben. Sie wollen auch auf mehrmaliges Nachfragen hin keine Unterstützung bieten.
Klar ist: Meldepflichtig innerhalb von 24 Stunden sind verstorbene Personen mit laborbestätigter Covid-19-Diagnose mittels PCR, mit Covid-19-vereinbaren klinischen Kriterien und CT-Scan oder mit klinischen und epidemiologischen Kriterien. Klinisch geht es um gängige Symptome, die für eine Covid-19 sprechen, epidemiologisch genügt ein enger Kontakt während 15 Minuten zu einem laborbestätigten Fall. 
image
Meldekriterien Screenshot BAG

Werden die Covid-Todesfälle überschätzt?

Wer innert 28 Tagen nach einem positiven Testergebnis verstirbt, soll in den Statistiken erfasst werden, so eine Empfehlung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wendet keine solche Zeitfrist zwischen Infektion und Tod an, wie es auf Anfrage heisst. Das BAG veröffentlicht allerdings auch nur die Anzahl der Todesfälle, die im Labor durch PCR bestätigt wurden. Anders der Kanton Waadt: Dort umfasste die veröffentlichte Statistik bis am 19. Oktober auch 112 nicht positiv getestete Covid-19-Fälle.
Zwischen Infektion und Tod könnten einige Wochen verstreichen, heisst es beim BAG weiter. Das bedeutet, dass ein Patient oder eine Patientin, der oder die im Sommer positiv auf Covid-19 getestet wurde und dann drei Monate oder später verstirbt (an was auch immer), ebenfalls Eingang in die Statistik findet. Es ist also möglich, dass die Anzahl der Covid-Todesfälle überschätzt - oder aber auch unterschätzt wird. Denn denkbar wäre ja auch, dass Menschen an Covid-19 sterben, ohne dass sie in die offizielle Zählung einfliessen, weil sie nie getestet werden.

Je nach Land unterschiedliche Vorgaben 

Dass Todesfälle nach einer Änderung der Zählweise ändern können, zeigen mehrere Beispiele: Grossbritannien soll nach einer Änderung der Methode im August rund 5'300 weniger Tote durch die Pandemie verzeichnet haben. Neu werden dort nur Todesfälle registriert, die innerhalb von vier Wochen nach einem positiven Test aufgetreten sind. 
Anders in Mexiko oder Österreich: Dort liess eine veränderte Zählweise die Zahl der Todesopfer sogar steigen. 
Generell gibt es je nach Land unterschiedliche Vorgaben, was die internationale Vergleichbarkeit erschwert und so zu verzerrten Covid-19-Sterblichkeitsraten führen kann. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Universitätsspital Basel: Kathrin Bourdeu wird COO

Die Fachärztin für Anästhesie und Operationsbetrieb-Managerin wird im Mai Rakesh Padiyath ablösen.

image

Effiziente Desinfektion: Plastikfrei & nachhaltig

Die Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues bieten nachhaltige und effektive Desinfektion. Sie bestehen aus 100% plastikfreien Cellulosetücher und reduzieren CO₂-Emissionen um 25% pro Packung. Mit hoher Reissfestigkeit, grosser Reichweite und Hautverträglichkeit sind sie optimal für Hygiene und Umwelt.

image

Nachhaltig: Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues

HARTMANN erweitert sein Portfolio um die nachhaltigen Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues. Die Tücher werden aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und vereinen hohe Wirksamkeit, Materialverträglichkeit und Hautfreundlichkeit. Dabei werden Plastikabfall sowie CO₂-Emissionen reduziert.

image

Neuer Leistungsauftrag für die Oberwaid

Die Klinik Oberwaid ist neu auch mit muskuloskelettaler Rehabilitation auf der Spitalliste der Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden. So kann die Oberwaid auch in diesem Fachgebiet grundversicherte Patienten behandeln und leistet einen wichtigen Beitrag in der Region.

image

Interprofessionelle Visiten auf dem Prüfstand

Die Visiten werden geschätzt, aber nicht alle Beteiligten sind gleich zufrieden. Vor allem die Pflege bemängelt ihre Einbindung und sichtet Verbesserungs-Chancen. Dies zeigt eine Umfrage in Schweizer Spitälern.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.