Die grosse Mehrheit wünscht sich auch in Zukunft einen Hausarzt

In der neuen Obsanstudie zur zukünftigen ambulanten Grundversorgung werden die Einstellungen und Präferenzen der Bevölkerung untersucht. 76% der befragten Personen bevorzugen den/die Hausarzt/Hausärztin für die meisten medizinischen Belange. Nur 2% würden in eine Apotheke gehen.

, 25. September 2021 um 06:36
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Die PatientInnen wünschen sich Kontinuität in der Behandlung und Mitentscheidung bei der Wahl der medizinischen Massnahmen. Im Falle einer Routineuntersuchung wünschen gar 76% der Befragten eine Hausärztin oder einen Hausarzt, 13% der Befragten bevorzugen eine Pflegefachperson mit Hochschulabschluss und 7% eine Fachangestellte Gesundheit mit Lehrabschluss. Nur 2% der Befragten sprachen sich für eine Apothekerin oder einen Apotheker aus. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich Hausärzte/Hausärztinnen nicht nur als erste Kontaktstelle und bei Routineuntersuchungen, sondern auch bei der Koordination der Behandlung.
Wo aber nehmen wir diese Hausärzte zukünftig her? Bekanntlich besteht in ländlichen Gebieten teilweise bereits einen hausärztlichen Versorgungsnotstand, welcher sich mit jedem Jahr mehr zu verschärfen droht. Hausärzte in einer Einzelpraxis finden heute kaum mehr Nachfolgerinnen oder Nachfolger. Zu oft verkaufen sie ihre Praxen deshalb an Firmen, welche die Ärztinnen und Ärzte direkt aus dem Ausland rekrutieren. Solche Praxisketten breiten sich rasant aus und scheitern immer häufiger spektakulär.
Dabei bilden wir genügend Ärzte aus!
Der Bund stellte 2016 100 Millionen Franken zur Verfügung, um die Abschlüsse in Humanmedizin an allen medizinischen Fakultäten der Schweiz von 850 (im Jahr 2014) auf 1300 zu steigern.
Die Universität Zürich stockte 2017 um 72 Studienplätze auf. Sie beträgt jetzt 372.
Gemäss Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich die Zahl der Abschlüsse in Humanmedizin zwischen 2016 und 2018 bereits von 10,8 auf 11,7 pro 100’000 Einwohner erhöht. Und bis 2025 werden es dank der Förderung durch den Bund sogar 14,9 Abschlüsse sein. Die Schweiz wird damit im Vergleich zu anderen OECD-Staaten im oberen Bereich liegen.
Genügend Ärzte sind also vorhanden. Das Problem ist vielmehr, dass zu wenige die Hausarztmedizin als Fachgebiet wählen und prestigeträchtige und lukrative Spezialgebiete bevorzugen. Doch auch das wird sich ändern. In vielen Spezialdisziplinen wird es in den nächsten Jahren durch den technologischen Fortschritt weniger Ärzte brauchen. Ganze Untersuchungsgänge können durch nicht-ärztliche Fachpersonen durchgeführt und Befunderhebungen teilweise effizienter oder sogar vollautomatisiert durchgeführt werden.
Wir müssen die Attraktivität der Grundversorgung dahingehend steigern, dass die meisten Studienabgänger Hausärzte, Pädiater und Psychiater werden wollen. Für diese zusätzlichen Grundversorger soll es zudem attraktiv sein, in neuen Gruppenpraxen auf dem Land zu arbeiten.
Dazu braucht es eine kontinuierliche tarifarische Besserstellung der Grundversorgung. Der TARDOC geht schon mal in die richtige Richtung und führt ein eigenes Kapitel zur Grundversorgung ein, das später auch separat gesteuert werden kann.
Es macht in den nächsten Jahren schlichtweg keinen Sinn mehr, so viele Spezialisten auszubilden. Da sind die Kantone gefordert. Sie haben es in der Hand, die Weiterbildungsgelder mehrheitlich für die Ausbildung in Allgemeiner Innerer Medizin und für Hausarztassistenzstellen einsetzen.
Es braucht neue Praxisinfrastrukturen, die nicht in Besitz von Investoren oder Grossverteilern sind. Diese verstehen schlichtweg das Handwerk nicht. Es braucht die Ärztenetze, die den Strukturwandel umsetzen und es braucht die Gemeinden mit einem attraktiven Standortmarketing. Auch auf dem Land kann man mit einer Neuorganisation des Notfalldienstes die work-life-balance in der Grundversorgung für die jungen Arztfamilien zufriedenstellend gestalten.
Es braucht neue Versorgungsmodelle und Versicherungsprodukte, welche die hausärztlich koordinierte Versorgung mit intelligenten Telemedizinlösungen mit Zugriff auf die Patientenakte sinnvoll unterstützen. Und es braucht eine Imagekampagne für die ländliche Grundversorgung: Die Medizin auf dem Lande ist interessanter als die, in den überversorgten Städten.
Wenn wir diese Weichen richtig stellen, werden wir auch in Zukunft den Wunsch der Bevölkerung nach genügend kompetenten Hausärztinnen und Hausärzten erfüllen können.

  • Link zum Obsan-Bericht

Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze  
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