Der medizinische Aspekt des neuen Coronavirus Covid-19 stellt eine reale und massive Bedrohung für unsere Gesellschaft dar. Die meisten konzentrieren sich dabei auf die eine Gefahr, die Bedrohung der Gesundheit. Doch am Horizont droht auch eine wirtschaftliche Krise. Eine Krise, die grössere Ausmasse annimmt als die Krise im Jahr 2008 – und möglicherweise sogar als die Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Dies sagt Ernst Fehr, Verhaltensökonom an der Universität Zürich (UZH). Er gilt als einer der einflussreichsten Wissenschaftler der Welt.
Das mittelfristige Problem, das jetzt auftauche, seien die enormen wirtschaftlichen Kosten, die immer stärker zu Buche schlagen, wenn die Wirtschaft still stehe,
sagt Fehr gegenüber der «NZZ». Die Einschränkungen würden zwar akzeptiert, aber er wisse nicht, wie das in drei Monaten sei: «Die Leute werden dann auch die ökonomischen Folgen spüren». Denn es bestehe die Möglichkeit, dass das Volkseinkommen um fünf, zehn oder gar fünfzehn Prozent sinke.
Entscheidungen auf ungenügender Datengrundlage
«Um diese wirtschaftlichen Kosten langfristig zu senken, brauchen wir einen Weg zurück in die Normalität», sagt der Verhaltensökonom. Doch das grösste Problem der politischen Entscheidungsträger - im Zielkonflikt zwischen Gesundheitskosten und wirtschaftlichen Kosten - sei es, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
«Die Politik agiert in einer Informationssituation in der sie vieles nicht weiss, was sie wissen sollte, um die richtigen Abwägungen zu treffen». Es ist dem Wissenschaftler zufolge eine Frage der «vernünftigen Politik», dass wir hier auch langfristig an Massnahmen denken, wie wir hier wieder rauskommen.
Ernst Fehr liefert auch gleich einen Lösungsansatz: Die wichtigste Entscheidungsbasis, die Anzahl der täglichen Neuansteckungen, ist für ihn «sehr unvollkommen». Die vordringlichste Aufgabe sei es jetzt: eine Zufallsstrichprobe zu erheben, welche die ganze Schweiz erfasst, auch die einzelnen Regionen. Das wird bis jetzt aber «sträflich vernachlässigt», wie er sagt.
Wer ist immun, infiziert, nicht infiziert?
Nur so lasse sich messen, wer in der Zufallsstichprobe infiziert und wer nicht infiziert sei. Und es könnte mit Tests auf Antikörper auch gemessen werden, wer bereits immun sei. Dies sind seiner Ansicht nach die drei wichtigsten Grössen. Eine Stichprobe von 5'000 Personen, die sich wöchentlich testen, würde ausreichen, erklärt Fehr der Zeitung weiter.
Mit diesen Daten liessen sich die Kosten der verschiedene Massnahmen viel eher abschätzen. Es mache beispielsweise wenig Sinn, wenn Leute, die immun und nicht mehr ansteckend seien, nicht wieder zur Arbeit gehen dürfen. Der Ökonom nennt auch die Möglichkeit von regionalspezifischen Massnahmen: Vielleicht zeige sich die Krise in manchen Regionen der Schweiz viel weniger stark? Oder vielleicht sei im Kanton Tessin, der schwer betroffen ist, die Immunitätsrate am höchsten? «Wir wissen das ja nicht ohne die notwendigen Informationen».