Berner Psychiatrie hält nichts von scharfen Drogen-Kontrollen

Auf dem Areal der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) sind illegale Suchtmittel offenbar leicht verfügbar. Doch mehr Kontrollen würden nichts bringen, sagt der psychologische Leiter.

, 4. September 2019 um 04:00
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Die psychiatrische Klinik in Bern habe ein massives Drogenproblem, berichtete die «Berner Zeitung» unlängst. Von Drogen auf den Zimmern und Dealern im Park war die Rede. Kurz: In den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) gehörten Rauschmittel zum Alltag und seien jederzeit leicht verfügbar.
In einem Interview mit der Zeitung erklärte Franz Moggi, psychologischer Leiter der UPD, warum die Klinik den Drogenhandel nicht mit strikteren Kontrollen unterbindet.

Die meisten Patienten sind freiwillig in der Klinik

Einerseits fehle die rechtliche Grundlage für solche Kontrollen. Die meisten Patienten seien nämlich freiwillig in der Klinik. Auch Besucher könnten nicht dazu gezwungen werden, sich kontrollieren zu lassen.
Andererseits, so Franz Moggi im Interview, würden wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass schärfere Kontrollen nichts brächten. Sie würden das Suchtverhalten nicht nachhaltig verändern.

Veraltete Doktrin

Bis in die 1980er-Jahre habe die Haltung vorgeherrscht, dass Süchtige im Entzug strikt von Drogen ferngehalten werden müssten. Patienten in der Suchtbehandlung wurde damals beispielsweise kein Ausgang gewährt. Das sei heute anders. Die Mauern, die es früher rund um die Psychiatrische Klinik gab, sind mittlerweile abgerissen worden.
Franz Moggi weist auch darauf hin, dass man früher versuchte, Alkoholsüchtige «gegenzukonditionieren». Man versetzte ihnen beim Anblick von Alkohol Stromschläge. Ohne Erfolg. Auch das Einsprerren von Süchtigen habe keine Wirkung gezeigt, sondern sogar geschadet.

Rückfälle gehören dazu

Heute, so Moggi im Interview, wolle man mit einer Suchttherapie erreichen, dass die Betroffenen ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten selber änderten.
Rückfälle gehören für Franz Moggi zur Erkrankung und bedeuten nicht in jedem Fall, dass die Therapie gescheitert ist. Übermässiger Drogen- oder Alkoholkonsum führe zu einer biologischen Veränderung im Hirn, die in der Therapie zurückgebildet werden müsse. Dabei könne es zu Rückfällen kommen.

Polizisten würden der Therapie schaden

Für strikte Drogenkontrollen müssten die UPD zwei Polizisten pro Station einsetzen, führt Franz Moggi ausserdem ins Feld. Das würde der Therapie schaden. Denn man setze heute auf medizinische und psychologische Hilfe, Ruhe und auf ein freundliches Milieu.
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