Der Nachweis: Wer Geld von Pharmafirmen kriegt, verschreibt seltener Generika

Ärzte mit finanziellen Beziehungen zu Medikamenten- oder Medtech-Herstellern stellen andere Rezepte aus als ihre Kollegen. Dies wurde jetzt erstmals nachgewiesen. Je mehr solche Zuwendungen ein Mediziner hat, desto eher empfiehlt er Marken-Medikamente.

, 25. März 2016 um 08:24
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Es ist ja ein Dauerthema in der Branche: Haben all die Mandats-, Beratungs-, Kongress- oder Studien-Beziehungen zwischen Pharmafirmen und Ärzten einen Einfluss darauf, wie Letztere ihre Rezepte ausstellen? Falls ja: Wie sehr? 
Jetzt kommt eine Gruppe von Rechercheuren aus den USA und sagt: Fertig diskutiert – es gibt diesen Einfluss. Ganz klar.
Ärzte, die auf irgendeine Weise Einkommen erhalten von Medikamenten- oder Medtech-Herstellern, verschreiben häufiger teure Markenprodukte als (beispielsweise) Generika: Dies besagen Daten, die auf der unabhängigen Informations-Plattform ProPublica zusammengetragen wurden.

Eine Einladung zum Essen reicht

Und zwar werde solch ein Konnex bereits spürbar, wenn die Ärzte nur schon Einladungen zu einem Essen annehmen.
Insgesamt verschreiben die Empfänger von Industrie-Zuwendungen mit zwei- bis dreifacher Wahrscheinlichkeit ein brand-name product mit überdurchschnittlich hohem Preis, so ein weiteres Ergebnis.

Charles Ornstein, Ryann Grochowski Jones, Mike Tigas: «Docs Who Get Company Cash Tend to Prescribe More Brand-Name Meds», in: «ProPublica», März 2016

Woher diese Feststellungen? Das Team von ProPublica unterlegte die (in den USA jeweils veröffentlichten) Zahlungen von Pharma- und Medtech-Herstellern an Ärzte mit den (im Rahmen des US-Medicare-Programms ebenfalls veröffentlichten) Angaben über die Verschreibungen einzelner Ärzte (zur Methodik).
Heraus kam, dass jene Doktoren, die mehr als 5'000 Dollar aus der Zusammenarbeit mit der Industrie schöpften, auch den höchsten Anteil an Verschreibungen von Markenprodukten hatten. 
Konkretes Beispiel: Die Internisten, die keine Zuwendungen erhielten, empfahlen ihren Patienten zu 20 Prozent ein Marken-Medikament. Wer aber mehr als 5'000 Dollar erhielt, erreichte eine Quote von 30 Prozent.

Beziehung hier, Verschreibungsverhalten da

Auf den ersten Blick erschient dies als brisant, auch auf unserer Seite des Atlantiks – beispielsweise angesichts des in Deutschland geplanten Korruptionsgesetzes fürs Gesundheitswesen. Allerdings: Die ProPublica-Daten belegen keine direkten Zusammenhänge zwischen zahlenden Unternehmen und ausgestellten Rezepten. Vielmehr scheint es so, dass sich eine gewisse Beziehung zur Industrie in einem gewissen allgemeinen Verschreibungsverhalten auswirkt.
Die ganze Frage wurde dann noch en detail aufgeschlüsselt: Wer bekam gar nichts? Wer kleinere Zuwendungen unter 100 Dollar? Wer mehr als 500 Dollar? Und dabei ergab sich in fast allen Fachgebieten eine einfache Kurve: Je mehr Aufträge von der Industrie, desto eher wurden Marken-Produkte verschrieben. 
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Grafische Darstellung: Korrelation zwischen Industrie-Aufträgen und Verschreibung von Markenprodukten (Pro Publica)
Am höchsten war die Quote übrigens bei den Augenärzten – und dort in allen Kategorien.
Ist das Ergebnis überraschend? Nicht wirklich. Dennoch könnten die Daten der Diskussion eine neue Stossrichtung und neuen Druck verleihen, meint Aaron Kesselheim, Internist und Medizinprofessor der Harvard Medical School: «Hoffentlich gelangen wir jetzt über den Punkt hinaus, wo die Leute sagen: ‚Oh, es gibt keinen Beweis dafür, dass diese Beziehungen die Verschreibungs-Praktiken der Ärzte beeinflussen’.»
ProPublica. Das unabhängige, stiftungsfinanzierte Medium ProPublica recherchiert schon seit 2010, wie es um die Unabhängigkeit der Ärzte steht. Dabei erarbeitet sei auch eigene Datenbanken – etwa eine, welche die Industrie-Zuwendungen von 15 Millionen US-Medizinern aufzeigt. 
Allerdings geht die ProPublica-Recherche dem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang doch nicht bis ins Letzte nach. Offen bleibt nämlich eine wichtige Huhn-oder-Ei-Frage: Wie sehr spiegeln die hier erfassten Verhältnisse bereits ein Auswahl-Bias? 
Womöglich zeigen sie lediglich auf, dass Mediziner, die grundsätzlich industrienah eingestellt sind, beides als positiver erachten: Eine engere Zusammenarbeit mit grossen Herstellern – aber auch die Qualität von deren Produkten.
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