Wann wussten Sie, dass sie in die Pflege wollten?
Als ich 18 Jahre alt war und ein Praktikum im Spital machte. Ich habe die Pflege damals zum ersten Mal «live» erlebt. Mich hat die Verantwortung, welche die Pflegenden übernehmen, fasziniert. Vor dem Praktikum hätte ich mir nicht vorstellen können, in die Pflege zu gehen.
Sie sind die Zukunft im Gesundheitswesen: junge Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und Physiotherapeuten. Doch wieso haben sie sich für den Beruf und ihre Fachrichtung entschieden? Was macht sie glücklich im Beruf - und was stört sie? Medinside befragt dazu in einer losen Folge von Interviews junge Fachpersonen.
Waren auch andere Berufsrichtungen ein Thema?
Ja, ich habe mich ebenfalls für Physiotherapie interessiert. Zuvor hatte ich eine Ausbildung in Biologie an der Universität Zürich begonnen.
Was reizt Sie an Ihrem Beruf?
Mich reizt seine Vielschichtigkeit. Pflegende arbeiten mit sehr unterschiedlichen Menschen, variierend im Alter, im Geschlecht, im sozialen Status, dem Gesundheitszustand ebenso bezüglich der Psyche. Pflegende müssen ein hohes Mass an Offenheit, Flexibilität und Empathie mitbringen. Es ist eine Herausforderung, Menschen richtig zu erfassen und einzuschätzen. Der Berufsalltag ist deshalb zweifellos spannend und abwechslungsreich und bringt intensive Erfahrung mit sich. Die Zusammenarbeit in schwierigen Situationen ist zudem eindrücklich und prägt zweifellos die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit - dies auf vielen verschiedenen Ebenen.
Wie sieht Ihre aktuelle Arbeitssituation aus?
Ich bin im letzten Praktikum meines FH-Studium und zähle als quasi ausgelernte diplomierte Pflegefachperson. Ich mache mir aber Gedanken über meinen weiteren Weg und bin mir nicht schlüssig, ob ich in der Pflege bleiben werde.
Haben sich Ihre Berufserwartungen denn nicht erfüllt?
Nur zur Hälfte. Mir ist bewusst, dass es ein anspruchsvoller Beruf ist und es deshalb normal ist, in der Ausbildung an seine Grenzen zu kommen. Was mich jedoch fundamental stört, ist die Richtung in die das Gesundheitswesen steuert. Es fallen immer mehr administrative Aufgaben an, die Pflegende an der Arbeit am Patienten hindern. Wir verbringen immer mehr Zeit am Computer. Diese Arbeit dient aber nur indirekt dem Patienten.
Was sind die weiteren Gründe, die Sie über einen berufliche Neuausrichtung nachdenken lassen?
Bei der Planung werden zu wenige Pflegepersonen eingerechnet. Wenn dann jemand ausfällt und nicht ersetzt werden kann, müssen die anderen Pflegenden zusätzliche Patienten auf sich nehmen. Einzelne Pflegende tragen auf unserer Spitalabteilung dann die Verantwortung für zwölf Patienten. Und das passiert nicht gerade selten. Wenn sich ein Patient in einem gesundheitlich kritischen Zustand befindet, haben die Pflegenden keine Chance, den anderen Patienten gerecht zu werden. Auch können sie die Patientensicherheit nicht gewährleisten.
Was löst das in Ihnen aus?
Die Pflege ist wie bereits erwähnt ein Beruf, der eine grosse Verantwortung mit sich bringt. Ich finde es persönlich erschreckend, festzustellen, dass ich meinem Anspruch an eine gute und sichere Pflege nicht gerecht werden kann und ich gezwungen bin, sogenannte Funktionspflege zu machen. Dabei komme ich mir wie ein Roboter vor. Das erfüllt mich leider nicht wirklich.
Die befragte Pflegefachfrau befindet sich in einem laufenden Arbeitsverhältnis . Deshalb wird das Interview ohne Namen publiziert. Der Name ist der Redaktion bekannt.
Den ersten Teil der Interview-Serie finden Sie hier.