Ausstieg aus Pflegeberuf: Eine junge Pflegefachfrau nennt Gründe

Eine junge Pflegefachfrau steht kurz vor der Diplomierung. Doch das lässt bei ihr wenig Freude aufkommen - sie überlegt sich, den Beruf zu wechseln.

, 15. März 2019 um 06:00
image
  • pflege
  • spital
  • fachkräftemangel
  • ausbildung
Wann wussten Sie, dass sie in die Pflege wollten?
Als ich 18 Jahre alt war und ein Praktikum im Spital machte. Ich habe die Pflege damals zum ersten Mal «live» erlebt. Mich hat die Verantwortung, welche die Pflegenden übernehmen, fasziniert. Vor dem Praktikum hätte ich mir nicht vorstellen können, in die Pflege zu gehen.
Sie sind die Zukunft im Gesundheitswesen: junge Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und Physiotherapeuten. Doch wieso haben sie sich für den Beruf und ihre Fachrichtung entschieden? Was macht sie glücklich im Beruf - und was stört sie? Medinside befragt dazu in einer losen Folge von Interviews junge Fachpersonen.
Waren auch andere Berufsrichtungen ein Thema?
Ja, ich habe mich ebenfalls für Physiotherapie interessiert. Zuvor hatte ich eine Ausbildung in Biologie an der Universität Zürich begonnen.
Was reizt Sie an Ihrem Beruf?
Mich reizt seine Vielschichtigkeit. Pflegende arbeiten mit sehr unterschiedlichen Menschen, variierend im Alter, im Geschlecht, im sozialen Status, dem Gesundheitszustand ebenso bezüglich der Psyche. Pflegende müssen ein hohes Mass an Offenheit, Flexibilität und Empathie mitbringen. Es ist eine Herausforderung, Menschen richtig zu erfassen und einzuschätzen.  Der Berufsalltag ist deshalb zweifellos spannend und abwechslungsreich und bringt intensive Erfahrung mit sich. Die Zusammenarbeit in schwierigen Situationen ist zudem eindrücklich und prägt zweifellos die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit - dies auf vielen verschiedenen Ebenen.
Wie sieht Ihre aktuelle Arbeitssituation aus?
Ich bin im letzten Praktikum meines FH-Studium und zähle als quasi ausgelernte diplomierte Pflegefachperson. Ich mache mir aber Gedanken über meinen weiteren Weg und bin mir nicht schlüssig, ob ich in der Pflege bleiben werde.
Haben sich Ihre Berufserwartungen denn nicht erfüllt?
Nur zur Hälfte. Mir ist bewusst, dass es ein anspruchsvoller Beruf ist und es deshalb  normal ist, in der Ausbildung an seine Grenzen zu kommen. Was mich jedoch fundamental stört, ist die Richtung in die das Gesundheitswesen steuert. Es fallen immer mehr administrative Aufgaben an, die Pflegende an der Arbeit am Patienten hindern. Wir verbringen immer mehr Zeit am Computer. Diese Arbeit dient aber nur indirekt dem Patienten.
Was sind die weiteren Gründe, die Sie über einen berufliche Neuausrichtung nachdenken lassen?
Bei der Planung werden zu wenige Pflegepersonen eingerechnet. Wenn dann jemand ausfällt und nicht ersetzt werden kann, müssen die anderen Pflegenden zusätzliche Patienten auf sich nehmen. Einzelne Pflegende tragen auf unserer Spitalabteilung dann die Verantwortung für zwölf Patienten. Und das passiert nicht gerade selten. Wenn sich ein Patient in einem gesundheitlich kritischen Zustand befindet, haben die Pflegenden keine Chance, den anderen Patienten gerecht zu werden. Auch können sie die Patientensicherheit nicht gewährleisten. 
Was löst das in Ihnen aus?
Die Pflege ist wie bereits erwähnt ein Beruf, der eine grosse Verantwortung mit sich bringt. Ich finde es persönlich erschreckend,  festzustellen, dass ich meinem Anspruch an eine gute und sichere Pflege nicht gerecht werden kann und ich gezwungen bin, sogenannte Funktionspflege zu machen. Dabei komme ich mir wie ein Roboter vor. Das erfüllt mich leider nicht wirklich.
Die befragte Pflegefachfrau befindet sich in einem laufenden Arbeitsverhältnis . Deshalb wird das Interview ohne Namen publiziert. Der Name ist der Redaktion bekannt.
Den ersten Teil der Interview-Serie finden Sie hier. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Die Schweiz ist mehr denn je von ausländischen Ärzten abhängig

Der Anteil der hier berufstätigen Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Diplom nähert sich der Hälfte des Bestandes.

image

«Immer noch zu wenig Ärzte», findet die FMH

Innert Jahresfrist stieg die Zahl der Ärzte um 1500. Das sei «viel zu gering», kommentiert die Ärztevereinigung.

image

Pflege im Fokus: Zentralschweizer Spitäler starten Video-Kampagne

Die Spitäler der Zentralschweiz lancieren eine Video-Kampagne, in der Pflegende selbst Regie führen.

image

Was tun gegen die Personalnot? Mehr Macht für die Pflege.

In Frankreich werden die Kompetenzen der Pflegefachleute bald drastisch erweitert. Die Nationalversammlung hat ein entsprechendes Gesetz durchgewunken – einstimmig.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Covid: Eine Patentlösung für Pflegeheime gab es nicht

Die Pflegeheime standen in der Pandemie an vorderster Front. In Genf ging nun eine Studie der Frage nach: Was hätten sie besser machen können?

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.